Die Rebellen von Donezk
In der der Ostukraine haben die prorussischen Rebellen in den vergangenen Wochen beträchtliche militärische Rückschläge erlitten. Die Hafenstadt Mariupol ging im Juni verloren, das lang umkämpfte Slowjansk fiel Anfang Juli in die Hände der ukrainischen Truppen. Auch von Donezk stehen ukrainische Einheiten nur mehr knapp 20 Kilometer entfernt, und Außenbezirke und Innenstadt wurden bereits wiederholt mit Artillerie beschossen. ORF-Korrespondent Christian Wehrschütz mit einem Bericht aus Donezk.
8. April 2017, 21:58
Mittagsjournal, 23.7.2014
Aus Donezk,
Zusammengewürfelte Truppe
Ein ehemaliges Militärkrankenhaus der ukrainischen Streitkräfte in einem Außenbezirk von Donezk. Hier ist eines von drei sogenannten Bataillonen der „Schachtjorskaja Devisia“, der Bergmann-Division untergebracht. Zur Standeskontrolle um acht Uhr Früh treten etwa 100 Freischärler an, ein bunter Haufen von Männern im Alter von 20 bis 50 Jahren. Eine einheitliche Adjustierung fehlt, das Schuhwerk reicht vom abgetragenen Halbschuh bis zum Feldschuh. Weitere 100 Mann haben das Gebäude schon vor der Standeskontrolle verlassen, so dass die Stärke der Einheit auf 200 bis 300 Mann geschätzt werden kann. Ihr Kommandant heißt Konstantin Kuzjmin; er ist selbst Bergmann und Minister für Kohleindustrie der sogenannten Volksrepublik von Donezk. Zur Zusammensetzung seiner Truppe sagt Kuzjmin: "Wir Bergleute habe diese Division gebildet. Unsere Hauptaufgabe besteht in der Verteidigung unseres Donezk, um den Faschisten den Zutritt zu verwehren. Wir haben hier Bergleute und Bewohner des Kreises von Donezk. Wir haben auch Metallarbeiter, Fahrer, Bäcker, sprich alle Berufsgruppen sind bei uns vertreten. Russen gibt es keine. Ich weiß nicht, woher Angaben kommen, dass hier Russen sind, ich habe sie nicht gesehen."
Als Faschisten bezeichnen die Rebellen die Führung in Kiew, und zwar ohne jede Differenzierung. Russische Freiwillige wiederum präsentierten sich Anfang Mai selbst stolz im Zentrum von Donezk. Doch dieses Bataillon der "Bergmann-Division" besteht offensichtlich wirklich aus Einheimischen, die in der Früh zum Dienst erscheinen. Der drahtige, mittelgroße Kuzjmin selbst spricht Russisch mit dem für das Donbass-Gebiet typischen ukrainischen Akzent. Seine Aufgabe besteht darin, jenen Teil von Donezk zu halten, der an der Straße nach Mariupol liegt. Sie ist seit Mitte Juni wieder unter der Kontrolle ukrainischer Truppen, die nur mehr etwa 20 Kilometer vom Stadtrand von Donezk entfernt stehen. Kapitulation kommt für Kuzjmin nicht in Frage: "Für uns gibt es kein anderswo; das sind unser Land und unsere Heimat. Hier sind wir und unsere Kinder geboren, hier arbeiten wir, wir werden nicht weggehen."
Kompromissloser Widerstand
Andererseits verlassen immer mehr Zivilisten die Stadt, die einen immer leereren Eindruck macht. Je näher die Front, desto größer die Fluchtbewegung, die der Artilleriebeschuss der vergangenen Tage noch verstärkt hat. Nicht nur im Zentrum sind viele Geschäfte bereits geschlossen. Die Versorgung mit Lebensmitteln funktioniert noch, doch Wasser wird knapp. Droht Donezk ein Häuserkampf auch im Stadtzentrum? Dazu sagt Konstantin Kuzjmin: "Wir werden alles tun, damit es nicht dazu kommt. Doch Krieg ist Krieg und schwer vorhersehbar."
Nach der Standeskontrolle übt sich Kuzjmin einige Minuten im Messerwerfen, ehe er sich verabschiedet. Uns wird dagegen die Ausbildung von Freiwilligen gezeigt, und zwar mit der Kalaschnikow im Häuserkampf und bei der Rettung von Verwundeten. Schwere Waffen werden nicht präsentiert. Gesehen haben wir Fliegerabwehrgeschütze in den Ausfallsstraßen von Donezk und Kampfpanzerwagen. Gezeigt wurde uns auch ein abgeschossener T-65 der ukrainischen Truppen. Die Besatzung hatte keine Chance. Dieses Beispiel zeigt, wie verlustreich ein Häuserkampf werden kann, vom menschlichen Elend und den materiellen Zerstörungen ganz zu schweigen, der dann der Stadt Donezk bevorstehen würde.