Was ein Finanzminister können muss

Der designierte neue ÖVP-Obmann Reinhold Mitterlehner will offenbar nicht wie sein Vorgänger das Finanzressort übernehmen. Nun wird eine geeignete Person gesucht - aber welche Voraussetzungen soll ein künftiger Finanzminister mitbringen? Frühere Finanzminister können aus Erfahrung sprechen.

Reinhold Mitterlehner

(c) EPA/HERBERT NEUBAUER

Mittagsjournal, 27.8.2014

Reiner Experte - "Unsinn"

Was muss ein Finanzminister oder eine Finanzministerin können? Sollte er oder sie mehr Experte oder mehr Politiker sein? Für Franz Vranitzky, er war von 1984 bis 1986 Finanzminister unter SPÖ-Kanzler Fred Sinowatz, ist die Antwort eindeutig: "Ein Finanzminister, der kein Politiker ist, der ist unvorstellbar. Es hätte keine Sinn, einen Experten zu nehmen, der sich nicht mit dem politischen Alltag beschäftigt. Das ist absoluter Unsinn." Entscheidend sei das gute Einvernehmen mit dem Kanzler, ergänzt Vranitzky: "Das berühmte Blatt Papier darf zwischen diese beiden nicht passen." Der Finanzminister müsse sich auch der sozialpolitischen Auswirkungen seiner Entscheidungen bewusst sein, ergänzt Vranitzky, und er müsse auch das Parlament von seiner Politik überzeugen - Steuergesetze müssen ja im Nationalrat beschlossen werden.

Nicht "Krampus und Nikolo zugleich"

Ein reiner Experte wäre überfordert, so sieht das auch Ex-SPÖ-Finanzminister Hannes Androsch. Er hat elf Jahre lang, von 1970 bis 1981, das Ressort in der Himmelpfortgasse geführt. Fachwissen sei nie schlecht, so Androsch, aber ohne politische Erfahrung und Durchsetzungskraft könne ein Finanzminister die verschiedenen Verhandlungen mit Regierungskollegen sowie Ländern und Gemeinden nicht erfolgreich führen. Einmal gab es ja einen Quereinsteiger als Ressortchef, den Steuerberater Andreas Staribacher, er hat nach neun Monaten das Handtuch geworfen. Eine Trennung der Ämter des Parteichefs und des Finanzministers hält Androsch für sinnvoll und notwendig: Das seien zwei unterschiedliche Aufgaben und Rollen, man könne nicht "Krampus und Nikolo zugleich sein". Der Parteichef als Nikolo, der verteilt - der Finanzminister als Krampus, der einspart, so das Bild von Hannes Androsch.

Ohne Kompetenz ist alles nichts

Auch der ehemalige ÖVP-Politiker und Finanzstaatssekretär Johannes Ditz plädiert dafür, die Ämter zu trennen: Obmann und Finanzminister hätte sich in der Vergangenheit nicht bewährt, stellt Ditz fest: Es müsse einen starken Vizekanzler und auch einen kompetenten Finanzminister mit politischer Erfahrung geben, die in Kombination die Linie der ÖVP festlegen. Denn der Finanzminister müsse oft über den Dingen stehen, Parteichef und Kanzler müssten auch parteipolitische Ziele im Blick behalten. Und Dietz ergänzt: "Kompetenz ist nicht alles, aber ohne Kompetenz ist alles nichts."

Dirigent im Beamten-Orchester

Entscheidend ist auch die Zusammenarbeit des Ministers mit dem traditionell sehr erfahrenen Beamten des Finanzministeriums. Im Idealfall leite sie der Minister wie ein Dirigent, meint Franz Vranitzky. Allerdings sind dem Ministerium in letzter Zeit einige dieser hervorragenden "Solisten" verloren gegangen, zu Beispiel der mächtige Sektionschef Gerhard Steger, der im April zum Rechnungshof gewechselt ist.

Andere ehemalige Finanzminister sind auf Urlaub, waren nicht erreichbar oder wollten kein offizielles Interview geben. Ob offiziell oder inoffiziell - der Tenor ist bei allen gleich: Es brauche eine Mischung aus Experten und Politiker. Nur wer beides sei, könne sich gegen die Länder durchzusetzen, etwa wenn es um die Finanzausgleichsverhandlungen gehe. Und das ist nur eine der Herausforderungen für den künftigen Finanzminister.