Ukraine: Alle Hoffnung auf Minsk

Der heutige Freitag könnte ein entscheidender Tag für den Konflikt in der Ostukraine werden. In Minsk treffen sich Vertreter der Konfliktparteien und könnten, so hat der ukrainische Präsident Poroschenko angekündigt, den Weg zu einem Waffenstillstand vorbereiten. Doch in der Ostukraine merkt man davon noch wenig, auch am Abend wurde rund um die Hafenstadt Mariupol gekämpft.

Morgenjournal, 5.9.2014

ORF-Russland-Experte Markus Müller im Gespräch mit

Noch - keine Spur von einer Waffenruhe in der Ukraine. Beobachter der OSZE, der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa berichten am späten Abend von brennenden Feldern und schwerem Artilleriefeuer östlich der Hafenstadt Mariupol. Seit Tagen wird der Angriff der Rebellen erwartet, die die strategisch wichtige Stadt 50 Kilometer vor der russischen Grenze wieder unter ihre Kontrolle bringen wollen, Markus Müller, mehrere Jahre unser Korrespondent in Moskau, wird da versucht, noch rasch Fakten zu schaffen vor dem Beginn einer Waffenruhe?

Genau das vermuten viele in der Ukraine, ein bekannter Armee-Blogger Dmitry Tymchuk hat gestern geschrieben: Die russische Seite will vor dem Waffenstillstand noch möglichst viel Gebiet unter ihre Kontrolle bringen. Das Kalkül dahinter ist klar, und das sieht man auch bei anderen Konflikten der letzten Jahre, bei denen Russland ähnlich vorgegangen ist - von Transnistrien bis Abchasien: Ein Gebiet das einmal unter pro-russischer Kontrolle ist, bleibt das auch, wenn der Konflikt durch einen Waffenstillstand quasi eingefroren wird.

Die Ukraine und die OSZE berichten von schweren Kämpfen, aus Russland kommen aber ganz andere Meldungen....

So ist es, das staatliche russische Fernsehen berichtet dass seit 22 Uhr Ortszeit in Mariupol angeblich nicht mehr gekämpft wird. Ob das stimmt und ob das auch im Lauf des Tages so bleiben wird, entlang der inzwischen doch recht langen Frontlinie das wird man heute genau beobachten müssen.

Eine Feuerpause frühestens heute Nachmittag kann's nur dann geben, wenn die Konfliktparteien vorher in Minsk zu einer Einigung kommen, wie nahe ist man da dran, da hat es ja jede Menge Verwirrung zwischen Kiew und Moskau gegeben?

Ich denke dass man dieses Hin und Her zwischen Putin und Poroschenko schon so deuten kann dass die beiden sich darauf geeinigt haben den heißen Konflikt und den Einsatz von Waffengewalt vorläufig einzustellen. Die Ukraine, weil sie militärisch im Moment nicht wirklich in der Lage ist die russischen und pro-russischen Verbände aufzuhalten. Und Russland, weil ein wichtiges Ziel erreicht ist: Der Konflikt ist nicht gelöst sondern nur eingefroren und kann - und das zeigt wieder der Blick auf die anderen eingefroren Konflikte der Region - jederzeit wieder eskaliert werden wenn Moskau glaubt dass das politisch nützlich ist.

Falls die Kämpfe am Nachmittag aufhören, wäre das wohl schon eine große Erleichterung für die Menschen - aber was muss passieren, dass Russland seine Soldaten, die sich angeblich ohnehin nur ins Kriegsgebiet verirrt haben, zurückholt?

Offiziell bestreitet Russland ja vehement dass diese Truppen überhaupt dort sind. Denkbar wäre, dass sie wirklich zurückgezogen werden und die Kontrolle den lokalen pro-russischen Aufständischen übergeben wird. Wladimir Putin hat aber bereits angekündigt, dass er eine internationale Überwachung des Waffenstillstandes will. Und denkbar wäre deshalb auch dass die bereits dort stationierten russischen Verbände dann ein einfach ein anderes Etikett umgehängt bekommen und Teil der russischen Friedensmission werden, so wie das bei anderen Konflikten auch schon der Fall war.