Ukraine: Thema bei Buch Wien
Die Ukraine-Krise war gestern Abend großes Thema der Eröffnung der Messe Buch Wien: Die Eröffnungsrede hielt der ukrainische Autor Juri Andruchowytsch. Er war vor einem Jahr einer der ersten Aktivisten auf dem Maidan in Kiew.
27. April 2017, 15:40
Morgenjournal, 13.11.2014
Seit 10. November ist in Wien bereits die Lesefestwoche im Gange. Gestern Abend wurde die Messe Buch Wien eröffnet, die siebente Auflage einer internationalen Buchmesse in Wien: Rund 300 Aussteller aus zwölf Ländern werden bis Sonntag, 16. November, in der Halle D der Messe Wien ihre Neuerscheinungen zeigen. Dazu gibt es auf den acht Messebühnen Buchpräsentationen, Lesungen und Diskussionen mit Autoren und Autorinnen von der Literaturnobelpreisträgerin Herta Müller bis zum Großmeister der norwegischen Krimiszene, Jo Nesbo.
Prominent besetzt war auch die Eröffnung: Die Rede zum Start der Buch Wien hielt der ukrainische Autor Juri Andruchowytsch. Er war im Dezember einer der Aktivisten auf dem Maidan.
Andruchowytschs "Preis der Werte"
Ein leidenschaftliches Plädoyer für eine freie, europäische Ukraine und eine Anklage, gerichtet an eine selbstzufriedene, satte, verständnislose EU - das war die Eröffnungsrede von Juri Andruchowytsch. "Alle Bürger der ganzen Ukraine eint das Leiden", sagte Andruchowytsch. "Ich entschuldige mich sogleich für dieses pathetische Wort. Aber es geht derzeit nicht ohne."
Andruchowytsch erinnerte an die vielen Opfer des vergangen Jahres und er erklärte, dass er die erreichte Freiheit trotz alldem höher bewerte, als die erlittenen Verluste: "Während der letzten 23 Jahre hat sich unter den Ukrainern die feste Überzeugung gebildet, dass es für uns keine bessere Alternative als die europäische gibt."
"Der Preis der Werte " - war diese Rede betitelt und Juri Andruchowytsch erklärte: im Ukrainischen haben die Worte "Wert" und "Preis" dieselbe Wurzel. Daher rühre auch die spürbare Dissonanz zwischen seinen Landsleuten und ihren europäischen Zeitgenossen. Während die Europäer an Preise denken, denken die Ukrainer an Werte.
"Wenn die spanischen Bauern die EU-Fahne verbrennen, dann geht es ihnen um Handelssanktionen und den Preisverfall bei Orangen. Wenn ein 19-jähriger ukrainischer Student unter den Kugeln von Scharfschützen im Kiewer Regierungsviertel umkommt und dabei eben jene EU-Fahne mit den Händen umklammert, dann geht es ihm um Freiheit und Gerechtigkeit."
"Die EU fürchtet die Ukraine"
Andruchowytsch betonte den Kontrast: Die Ukraine als Zone von Tod und Grausamkeit auf der einen Seite, Europa als Zone des Wohlstands, des Komforts und der Sicherheit auf der anderen: "Oversecured, overprotected, overregulated, ein Territorium aufgeblähter und irgendwie beigelegter Probleme und Konflikte, politisch korrekt und steril. - Ich habe einen bösen Verdacht: Die EU fürchtet die Ukraine", sagte Juri Andruchowytsch. Zu den bekannten Reizworten wie Tschernobyl und Nutten seien jetzt noch Tod, Krieg, Flüchtlinge, Leiden, Folter, Faschismus und Rechtsradikale dazugekommen.
"Dieser Protest hatte im Grunde keine Chance. Wie und warum er schließlich doch gesiegt hat, ist eine Frage für Autoren künftiger Romane", sagte Andruchowytsch. Seine eindringliche Rede setzt der Buch Wien, deren Schwerpunkt auch die Literatur Osteuropas ist, den politischen Rahmen.
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Suhrkamp - Juri Andruchowytsch