Erste Änderungen im Jugendstrafvollzug

Nach der Vergewaltigung eines 14-Jährigen in der Justizanstalt Wien-Josefstadt vor eineinhalb Jahren greifen jetzt die ersten Reformmaßnahmen im Jugendstrafvollzug. Seit 1. November gibt es in ganz Österreich "Sozialnetz-Konferenzen", damit Jugendliche früher aus der Haft entlassen werden können. ÖPV-Justizminister Wolfgang Brandstetter will dadurch ihre Resozialisierung fördern.

Morgenjournal, 14.11.2014

"Nicht auf blöde Gedanken kommen"

Mit einem Handtaschenraub begangen an zwei älteren Frauen hat sich der 16-jährige Emre vor eineinhalb Jahren eine Untersuchungshaft eingebrockt. Aber nach rund eineinhalb Monaten hat ihn das Gericht wieder aus dem Gefängnis entlassen. Basis war eine Sozialnetz-Konferenz bzw. das Knüpfen seines persönlichen sozialen Netzes - aus Personen, die nun Mitverantwortung dafür tragen, dass er nicht wieder Straftaten begeht: "Ich durfte entscheiden, wen ich dabeihaben wollte. Mein Vater ist gekommen, meine Mutter, meine Schwester und mein Onkel, Sozialarbeiterin und Bewährungshelferin."

Außerdem gab es strenge Auflagen vom Gericht: Drogentherapie, kein Kontakt zu seinen Komplizen, ein Affekt-Kontrolltraining, Arbeit beim Onkel und "es wurde eine Tagesstruktur festgestellt, dass ich immer etwas zu tun habe und nicht auf blöde Gedanken komme." Doch sein Umdenken, was den Raubüberfall und andere Straftaten betrifft, hat schon im Gefängnis begonnen, sagt der 16-Jährige. Haft und Justizwachebeamte habe er aber nicht negativ erlebt, sagt Emre.

"Wandelnde Erfolgsgeschichte"

Emres Bewährungshelferin Marie Janisch vom Verein Neustart meint, die Haftentlassung samt Sozialnetz-Konferenz bringe große Vorteile: "Ich kann mir zwar in der Haft Gedanken darüber machen, was ich gemacht habe. Aber tatsächlich die ersten Schritte und vielleicht die ersten Fehltritte zu machen, und dann auszurutschen und wieder aufzustehen, das ist die Arbeit, die in Wirklichkeit ansteht."

Seit 1. November ermöglichen das Justizministerium und ÖPV-Justizminister Wolfgang Brandstetter Sozialnetz-Konferenzen österreichweit an allen Gerichtsstandorten. Sie sollen die U-Haft für Jugendliche zumindest verkürzen und auch die Rückfallquote von Strafhäftlingen reduzieren. Brandstetter: "Wir haben das jetzt, nachdem sich der Probebetrieb wirklich sehr gut bewährt hat, österreichweit als Regelbetrieb eingeführt - gemeinsam mit dem Verein Neustart." Er sei überzeugt davon, dass dieses Modell absolut Sinn mache, "dass man eine bessere Reintegration bei den Zu-Entlassenden erreicht und bei den Jugendlichen verhindert, dass sie weiter in den kriminellen Bereich abrutschen."

Eine Erfolgsgarantie für alle Täterinnen und Täter gibt es freilich nicht, aber über ihren Emre sagt Bewährungshelferin Janisch "dass er seit eineinhalb Jahren deliktfrei ist. Da hat es eine große Veränderung gegeben. Er hat viel gelernt. Ich finde, er ist eine wandelnde Erfolgsgeschichte."