"Ein Kind Gottes" von Cormac McCarthy

Schon seit Jahren wird der US-amerikanische Autor Cormac McCarthy als Anwärter auf den Literaturnobelpreis gehandelt. Bei Rowohlt ist jetzt die deutsche Übersetzung seines dritten Romans "Ein Kind Gottes" aus dem Jahr 1973 erschienen, das verstörende Porträt eines Serienmörders.

McCarthy gilt als der große Stilist unter den amerikanischen Gegenwartsautoren. Schauplatz seiner Bücher ist der wilde amerikanische Westen und sein großes Verdienst ist es, das Western-Genre in die Gegenwart herübergerettet zu haben. Das hat ihm die höchsten Literaturpreise der USA eingebracht.

Morgenjournal, 10.12.2014

Kristallklare Sprache, messerscharfe Genauigkeit

Anfangs ist Lester Ballard nur ein Mann am Rande der Gesellschaft, doch dann wird ihm sein Haus gepfändet und er zieht sich in eine Höhle zurück. Seine äußere Verwilderung geht mit einer inneren Verwilderung einher, denn er wird zum Dieb, zum gewissenlosen Leichenschänder und zum völlig emotionslosen Killer. Statt psychologischer Erklärungen beobachtet Cormac McCarthy einfach. Mit messerscharfer Genauigkeit und in einer kristallklaren Sprache. Einfache Aussagesätze, Punkte und gelegentlich ein Komma. Mehr braucht’s nicht, hat der 81-Jährige einmal seinen minimalistischen Stil beschrieben:

"James Joyce ist ein großes Vorbild in Sachen Interpunktion, weil er mit einem Minimum an Satzzeichen auskommt. Es macht ja auch keinen Sinn, die Seiten mit diesen seltsamen winzigen Strichen und Punkten zu füllen. Wenn man gut schreibt, braucht es kaum Satzzeichen."

EIn Maler unwirtlicher Landschaften

McCarthy ist der große Landschaftsmaler der amerikanischen Literatur. Seine Panoramen sind aber keine Postkartenansichten, sondern beschreiben eine unwirtliche und lebensfeindliche Natur. Das Innenleben seiner Figuren macht er nur über deren Gesten und wenige knappe Dialogzeilen spürbar.

Verfilmungen drängen sich da richtiggehend auf und so haben es viele seiner Romane auf die Kinoleinwand geschafft. Am erfolgreichsten, weil mit gleich vier Oscars ausgezeichnet, war die Adaption von "No Country for Old Men" der Brüder Coen. Dabei hat McCarthy nie Glanz und Glamour gesucht. Lesungen gibt er keine, Interviews nur ganz selten und seine Freunde findet er nicht unter Schriftstellerkollegen, sondern unter Forschern:

"Die Beschäftigung mit den Naturwissenschaften hilft dir aufrichtig zu bleiben, weil es da um Tatsachen geht, auf die sich alle einigen können. In Kunst und Literatur gibt es keine objektiv wahren Meinungen. In der Physik hingegen ist ganz klar, was richtig und was falsch ist und das mag ich."

Kompromisslos

Seinen Plan, Schriftsteller zu werden, hat Cormac McCarthy von Anfang an mit äußerster Kompromisslosigkeit verfolgt. Seine Exfrauen berichten von einem Leben am Existenzminimum, dennoch wies McCarthy jedes Stellenangebot zurück.

Das Leben als Außenseiter, das er in vielen seiner Bücher beschreibt, kennt er sehr gut, auch wenn er, anders als seine Figuren, statt zur Waffe immer zur Schreibmaschine gegriffen hat. Cormac McCarthy: "Ich habe in Tennessee lange Zeit in einer Hütte gelebt und einmal ist mir sogar die Zahnpasta ausgegangen. Genau an diesem Tag habe ich in meinem Briefkasten eine Werbeaussendung mit einer Zahnpastaprobe gefunden. Mein Leben ist voller solcher Anekdoten. Immer, wenn es ganz schlecht aussah, kam mir der Zufall zu Hilfe."

Ein kompromissloses Leben und McCarthy schafft es, das eins-zu-eins in eine kompromisslose Literatur zu übersetzen. Schauspieler James Franco hat sich über eine Verfilmung von "Ein Kind Gottes" drüber getraut. Ob er es geschafft hat, die Härte und Schärfe von McCarthys Sprache auf die Leinwand hinüberzuretten, wird sich kommendes Jahr zeigen. Dann hat der Film seinen Kinostart in Österreich.

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New York Times - Featured Author Cormac McCarthy
Rowohlt - Cormac McCarthy