China: Volkskongress beginnt

Über die Zukunft von eineinhalb Milliarden Chinesen entscheidet ab heute der Volkskongress in Peking - was die knapp 3.000 Delegierten entscheiden, hat das Zentralkomitee der Kommunistischen Partei bereits entschieden.

Morgenjournal, 5.3.2015

Aus Peking,

In Peking steht heute die jährliche Tagung des Volkskongresses auf der Tagesordnung. Weil Asien Europa zeitlich voraus ist, liegt die formelle Eröffnung des riesigen Gremiums in der Großen Halle des Volkes am Tienanmen-Platz bereits mehrere Stunden zurück. Die oberste gesetzgebende Körperschaft China ist der Führung der Kommunistischen Partei unterstellt. Aber trotzdem spiegelt sich unter den vielen tausend Delegierten die Vielfalt des chinesischen Riesenreiches, das sich nach Jahren rasanten wirtschaftlichen Aufschwungs in einer Umbruchphase befindet.

Nach außen verläuft alles normal in der Großen Halle des Volkes. Tausende Delegierte aus ganz China sind nach Peking gekommen. An der Decke, über den Delegierten, prangt ein riesiger roter Stern aus der Zeit Mao Tse Tungs. Überall die schweren roten Fahnen im stalinistischen Look der Vergangenheit, wenn die Staatsführer einziehen, mit dem starken Mann, Präsident Xi Jinping an der Spitze.

Aber das postmaoistische Ritual steht in krassem Widerspruch zur Wirklichkeit. Die zahlreichen Millionäre und Milliardäre unter den Abgeordneten, die sich unter den roten Fahnen versammeln, wiegen schwerer als die gesamte Volkswirtschaft Österreichs, so hat es die New York Times errechnet. In keinem Parlament der Welt gibt es so viele Superreiche, wie im kommunistischen China.

Beim Eintreffen stürzen sich die Fernsehjournalisten nicht auf die politischen Entscheidungsträger, die unerreichbar sind, sondern auf Wirtschaftsmogule, Unternehmensgründer und Medienstars.

Das überragende Thema vorgegeben hat die mutige TV-Journalistin Chai Jing mit einer Dokumentation über die Gefahren der katastrophalen Luftqualität in weiten Teilen Chinas. Millionen Bürger haben die Doku diese Woche Online gesehen. Chai Jing erzählt von einem Kind in der Provinz Hebei, das wegen des vielen Smogs in seinem ganzen Leben noch nie den blauen Himmel gesehen hat.

Die sonst allgegenwärtige Zensur hat die bahnbrechende Dokumentation erlaubt. Die Parteiführung signalisiert: die Lebensqualität, die den wachsenden Mittelschichten fehlt im boomenden China, ist auch uns ein Anliegen. Bei seinem Rechenschaftsbericht verspricht Premierminister Li Ke Quiang neue Anstrengungen, um den erstickenden Smog zu verringern in den Industriegebieten.

Leicht wird das nicht. Denn Filter kosten Geld. Alte Stahlproduzenten und Kohlekraftwerke müssten gesperrt werden, wenn strengere Umweltstandards gelten. Und das kostet Arbeitsplätze. Mit unabsehbaren Folgen für die soziale Stabilität Chinas. Nach innen verschärft die Partei den Kurs. Nach außen tritt China immer selbstbewusster auf. Fu Yin, die Sprecherin des Volkskongresses, kündigt für dieses Jahr eine Erhöhung der chinesischen Militärausgaben um 10 Prozent an.

Mehr finanzielle Mittel für die Streitkräfte besagt über die Stellung der Generalität in der chinesischen Gesellschaft allerdings wenig: die Antikorruptionskampagne der Regierung hat in den letzten Wochen die oberste Generalität schlimmer getroffen, als irgendeine andere Körperschaft.