China: Volkskongress in Zeiten des Umbruchs

China bereitet sich diese Woche auf die mehrtägige jährliche Tagung des Volkskongresses vor, der nach den Vorgaben der regierenden KP die Gesetze beschließt. Das Land befindet sich im Umbruch, weil sich das Entwicklungsmodell als verlängerte Werkbank der Weltwirtschaft überholt hat. Die chinesische Währung ist inzwischen zu einer der fünf größten Zahlungsmittel der Welt aufgestiegen. Trotzdem sorgt sich die Führung in Peking um Kapitalflucht aus dem Riesenland.

Mittagsjournal, 4.3.2015

Aus Peking,

Die verstärkten Polizeipatrouillen in den Straßen der chinesischen Hauptstadt kündigen das große Ereignis an. Mitte der Woche kommen in der Großen Halle des Volkes die Abgeordneten zum Volkskongress zusammen, um eine neue Wirtschaftsstrategie für die nächsten Jahre zu beraten. Die Regie liegt bei der KP-Führung und ihrem Vorsitzenden, Präsident Xi Jingpin. Aber jede Provinz und jeder Sektor des Riesenreiches mit seinen 1,3 Milliarden Bürgern, hat eigene Interessen. Wie die Führung mit dieser Vielfalt umgeht, wird eine der Fragen des Volkskongresses sein.

Im Vorfeld hat Präsident Xi Jinping seine Vorstellung unter dem Titel der sogenannten „vier umfassenden Handlungen“ präsentiert. Die Parteipresse feiert das Programm des Präsidenten als bahnbrechende theoretische Erweiterung des Marxismus gefeiert. Eine Gesellschaft mit – Zitat - bescheidenem Wohlstand soll in China entstehen, das ist der Kern des Konzepts. Bescheidener Wohlstand, das klingt realistisch für ein System , das früher, unter Mao Tse Tung, den Kapitalismus einholen und überholen wollte.

Die Botschaft Xi‘s richtet sich an die wachsenden Mittelschichten, die es zu einer eigenen Wohnung und einem Auto gebracht haben. Die Kommunistische Partei will signalisieren, dass sie sich als Garant des Lebensstandards der Mittelschichten versteht.
Der fortdauernde Kampf gegen die Korruption, weitere Wirtschaftsreformen und größere Rechtssicherheit gehören ebenfalls zu den sogenannten vier umfassenden Prinzipien von Präsident Xi. Politische Reformen sind keine vorgesehen.

Chinas Wirtschaftswachstum verlangsamt sich, ist mit prognostizierten 7 Prozent aber noch immer sehr hoch. Die Delegierten werden wohl hören, dass der Inlandskonsum für die Wirtschaft immer wichtiger wird. Mehrere Provinzen haben in den letzten Wochen die Mindestlöhne erhöht. Die Kaufkraft der eigenen Bürger wird langsam genauso bedeutsam wie der Export, der China bisher stark gemacht hat.

Das veränderte Entwicklungsmodell schafft auch eine neue Situation für Chinas Währung. Der chinesische Yuan ist im letzten Jahr zu einer der fünf Weltwährungen aufgestiegen, neben Dollar, Euro, dem japanischen Yen und dem britischen Pfund. Aber frei konvertierbar ist die chinesische Währung nicht.

Ob China in seiner neuen Entwicklungsphase eine stärkere oder eine schwächere Währung braucht, darüber debattieren die Finanzexperten. In den letzten Jahren ist der Wert des Yuan langsam gestiegen. Auch auf Druck der USA, die Peking vorgeworfen haben, dass die chinesischen Exporte durch eine künstlich niedrig gehaltene Währung gefördert werden sollen.

Aber zur Zeit herrscht Flaute in der Weltwirtschaft. Die Europäer versuchen durch einen niedrigen Kurs des Euro die Wirtschaft zu beleben. Eigentlich müsste auch China daran interessiert sein, seine Währung zu verbilligen um die Exporte zu fördern. Wenn da nicht ein unerwartetes Problem wäre: die Oberschicht schafft Milliardenwerte ins Ausland. Weil das Misstrauen in das eigene System so groß ist, kaufen betuchte Chinesen Immobilien in London und New York an und Wertpapiere in Dollar und Euro. Sollte die chinesische Währung sinken, könnte eine unangenehme Kapitalflucht einsetzen.
Die Regierung in Peking will, dass der Yuan in aller Form zur Weltwährung aufsteigt. Mit entsprechender Mitsprache im Internationalen Währungsfonds und anderen Finanzinstitutionen. Ein sinkender Kurs wäre hinderlich auf diesem Weg.

Von Spekulationen über die Abwärts- oder Aufwärtsbewegung der Währung wird auf dem Volkskongress diese Woche wenig die Rede sein. Viel mehr dagegen von der harmonischen Entwicklung, die sich die Führung für die nächsten Jahre wünscht. Der Fokus auf die Mittelschichten lässt leicht vergessen, wie riesig die sozialen Gegensätze im neuen China geworden sind. Die hunderten Millionen aus den armen Regionen am gemäßigten Wohlstand teilhaben zu lassen, den Präsident Xi seinem Volk verspricht, wird schwieriger, wenn die Wirtschaft nicht mehr so rasant wächst, wie früher.