Berlinale: Schriftsteller und die Liebe

Um Schriftsteller und ihre schwierigen Lieben ist es am Wochenende auf der Berlinale gegangen. Im Zentrum des portugiesischen Wettbewerbsbeitrags "Letters from War" (Briefe aus dem Krieg) stand António Lobo Antunes, während sich der österreichische Film "Die Geträumten" mit der langjährigen und äußerst wechselhaften Beziehung zwischen Ingeborg Bachmann und Paul Celan beschäftigte.

Morgenjournal, 15.2.2016

Aus Berlin,

Ein Militärarzt in Angola

Lange schon wird António Lobo Antunes als Nobelpreiskandidat gehandelt, der Film "Letters from War" geht aber zurück zu den Anfängen seiner schriftstellerischen Karriere. Antunes war damals noch keine dreißig Jahre alt, hatte gerade sein Medizinstudium beendet und wurde als Militärarzt in den Kolonialkrieg nach Angola entsendet. Schon auf der Überfahrt beginnt er Liebesbriefe an seine schwangere Frau zu schreiben.

Diese Briefe wurden zur Grundlage des Films, der ganz in Schwarz-Weiß gedreht, den Kriegsalltag Anfang der 1970er Jahre in Angola zeigt. Antunes lässt seiner Sehnsucht in den fast barock überladenen Briefen Luft, gleichzeitig arbeitet er an seinem ersten Roman und verzweifelt wie viele seiner Kameraden an der Hitze, der Einsamkeit und der Ungerechtigkeit dieses falschen Krieges. Ein Großteil des Films sei tatsächlich vor Ort entstanden, so Regisseur Ivo Ferreira: "In Angola zu arbeiten, war eine sehr intensive und gefährliche Erfahrung. Von Romantik gab es dort keine Spur. António Lobo Antunes wollte aber, dass der Film unbedingt an den Originalschauplätzen entsteht."

Beckermanns "Hommage an das Funkhaus"

Absichtlich nicht an die Originalschauplätze ist die österreichische Regisseurin Ruth Beckermann für ihren Film "Die Geträumten" gegangen. Die jahrzehntelange, konfliktbeladene Beziehung zwischen Ingeborg Bachmann und Paul Celan ist in einem mehr als 200 Seiten umfassenden Briefwechsel dokumentiert und diese besondere Sprache wollte Beckermann zur Geltung kommen lassen. 1948 hatten sich Bachmann und Celan in Wien kennengelernt, sie damals 22, er 27, doch die erste, leidenschaftliche Liebe ist nicht von langer Dauer.

Ingeborg Bachmanns Briefe werden von Anja Plaschg, besser bekannt als Musikerin Soap & Skin, gelesen, die Briefe Celans spricht Burgschauspieler Laurence Rupp. Nicht nur, weil das Radio für die beiden Schriftsteller ein ganz wichtiges Medium darstellte, beschloss Ruth Beckermann ihren Film im Wiener Funkhaus zu drehen. "Das Funkhaus ist für mich gleichwertig mit Oper und Burgtheater, denn es ist ein Ort der Geschichte Österreichs. Auch das war für mich ein Grund, eine Hommage ans Funkhaus zu machen", betont die Regisseurin. Beckermann lässt ihre beiden Darsteller nicht in Rollen, sondern in die Sprache der Briefe schlüpfen. Und weil das Konzept auch wirklich aufgeht, gab es bei der Weltpremiere von "Die Geträumten" lange anhaltenden Applaus in Berlin.

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Berlinale - Cartas da guerra/Letters from War
Berlinale - Die Geträumten
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