Flüchtlinge sitzen fest
Nach dem Schließen der Grenzen entlang der Balkanroute sitzen nicht nur in Idomeni sondern auch in den Staaten Slowenien, Kroatien, Serbien und Mazedonien insgesamt rund 5.000 Menschen aus Syrien, dem Irak und Afghanistan fest.
8. April 2017, 21:58
Morgenjournal, 11.3.2016
Aus Sid in Serbien,
Die meisten der Flüchtlinge haben sich mit Reisedokumenten und mit Registrierungsdokumenten von Griechenland und Mazedonien auf den Weg gemacht bzw. wurden geführt mit staatlich organisierten Transporten. Aber als sie auf halbem Weg waren, wurden die Rahmenbedingungen geändert und die Grenzen geschlossen. In Sid in Serbien sind nun 500 Syrer und Iraker untergebracht, rund 200 von ihnen zusammengepfercht in zwei Zelten - und einige haben schon Familie in Deutschland.
Der 10-Jährige Ahmed telefoniert mit seiner Mutter. Sie ist in Schweden. Er hier in Serbien mit seiner Tante – im Flüchtlingsquartier in Sid nahe der Grenze zu Kroatien. Eigentlich ist es ein Transitquartier aber es gibt keinen Transit mehr für die fast 500 Syrer und Iraker hier. Den Buben macht das traurig, zornig und verzweifelt. Aber das sind hier alle. In zwei mittelgroßen Zelten stehen jeweils rund 50 Stockbetten, dicht nebeneinander für 100 Menschen pro Zelt, Männer, Frauen und kleine Kinder. Laut UNO-Flüchtlingshochkommissariat UNHCR gibt es nicht genug Duschen, bisher kein warmes Essen und jeden Tag dasselbe, sagen die Syrer und Iraker: „Thunfisch und Brot in der Früh zu Mittag und am Abend“.
Manche sind schon seit 20 Tagen hier. Einige haben Durchfall aufgrund des Essens, sagt der UNHCR-Koordinator Georgi Sanikidze, ab heute wollen die serbischen Behörden warmes Essen anbieten und die Hälfte der Menschen soll in ein anderes Quartier, so der Plan: Dieses Zentrum ist gedacht dafür, dass die Leute einen Tag oder wenige Tage bleiben, es gibt kaum Bereiche für Familien, keinerlei Privatsphäre. Für längere Unterbringung ist das ungeeignet.
Einige Männer zeigen uns ihre Pässe und Dokumente und einer meint: Es sind viele Ägypter, Nordafrikaner und Palästinenser nach Deutschland gekommen, weil sie sich als Syrer ausgegeben habe. Und wir Syrer sollen jetzt hier bleiben?
Rund 400 Menschen sind in den vergangenen 20 Tagen hier an der kroatischen Grenze hängen geblieben, weil die Kriterien für die Durchreise da schon immer mehr verschärft wurden, beispielsweise wurden 12 syrische Städte für sicher erklärt. Younes ist einer der wenigen hier, die Englisch können. Er kommt aus der Gegend um Damaskus und erklärt: „Das ist auch Kriegsgebiet. Das syrische Regime, die schiitische Hisbollah, Al Nusra, der IS, die freie syrische Armee, alle kämpfen dort.“
Wie alle hier will auch Younes nach Deutschland – oder eventuell nach Österreich. Die Balkanstaaten hätten doch wirtschaftliche Probleme, wir wollen hier nicht zur Last fallen, sagt er: Manche sagen uns wir sollen zurückgehen. Zurück wohin? !!! Wir nach Syrien oder in den Irak, wir sind doch vor Gewalt geflohen. Wir sind durch Griechenland und Mazedonien gekommen - wir sind auf halbem Weg.
Sind die Menschen hier einfach nur ein paar Tage zu spät gekommen? UNHCR-Koordinator Sanikidze meint: „Das kann man so sagen. Viele dieser Menschen haben Pässe, sie haben griechische Registrierungs-Dokumente, sie haben in Mazedonien auch die vereinheitlichten Registrierungsdokumente bekommen, auf die sich die Balkanstaaten und Österreich Mitte Februar geeinigt haben. Also sie erfüllen diese Kriterien aber andere, die keine Dokumente hatten, konnten weiter und sind weg.“
Der Flüchtlingsbub Ahmed ist bei weitem nicht der einzige, der Familie in der EU hat. Mein Vater und meine Frau sind in Deutschland, ich muss hin, sagt der Iraker Hussein und erklärt, sein Haus nahe Kundus stehe nur 10 Kilometer entfernt von Gebieten der IS-Terrormiliz. Er sei dort geblieben, um seine kranke Mutter zu pflegen, mit der er nun hier ist. Mein Vater ist vor zwei Monaten durchgekommen. Und der Syrer Younes meint: Wir bitten die österreichische und deutsche Regierung uns zu holen, wir sind nur 400 Syrer und Iraker. Aber eine echte Chance nachgeholt zu werden haben wohl nur Personen mit nahen Angehörigen in Deutschland und Österreich – wie der 10-jährige Ahmed, dessen Mutter in Schweden versucht, mit Hilfe des Roten Kreuzes eine Familienzusammenführung zu organisieren.