Stichwahl ohne Umfragen

Am Sonntag wird gewählt. Die gewohnten Umfrageergebnisse vor einer Bürgerentscheidung fehlen diesmal völlig. Es ist eine Reaktion auf die jüngsten Wahlen, bei denen die Meinungsumfragen völlig danebenlagen.

Morgenjournal, 20.5.2016

Jakob Horvat

Eine Frau in der Wahlkabine

APA/HELMUT FOHRINGER

Überraschung am 24. April

Die Überraschung war perfekt am Abend des 24. April. Dass der FPÖ-Kandidat Norbert Hofer den ersten Wahlgang so deutlich für sich entscheidet, hat keine einzige Umfrage prognostiziert. Da ist man jetzt vorsichtig geworden, sagt Meinungsforscher Peter Hajek. Mehrere Meinungsforscher und Medien hätten sich darauf verständigt, keine Umfragen zu publizieren. Das sei ein durchaus gelungenes Experiment gewesen.

Ein Experiment, auf das sich auch die Medien eingelassen haben. Sie geben Umfragen üblicherweise in Auftrag, um sie danach zu publizieren. Auch das ist deutlich weniger geworden. Alexandra Föderl-Schmid, Chefredakteurin der Tageszeitung "Der Standard": market, mit dem man zusammenarbeite, habe entschieden, keine Umfragen zu machen, da sie zu ungenau waren. Der Standard habe das auch für richtig gehalten.

Heute-Chefredakteur Christian Nusser sieht das ähnlich: die Umfragen hätten eine derart hohe Schwankungsbreite, dass sie eher Unterhaltungs- als Informationswert zum Inhalt hätten.

Auch der Kurier hat sich bewusst dazu entschieden, Umfragen weder in Auftrag zu geben noch zu publizieren. Immer weniger Stammwähler und die schlechtere Erreichbarkeit der jungen Wähler hätten den Rahmen für Meinungsumfragen völlig verändert, so Werner Beutelmeyer vom market-Institut: es gebe veränderte Rahmenbedingungen. Es gebe derzeit kein Modell, das wissenschaftlich halte und korrekte Prognosen liefere.

Da ziehen sich die Meinungsforscher zur Klausur zurück. Umfragen werden zwar weiterhin erstellt, doch dienen sie bei dieser Wahl in erster Linie dem Entwickeln neuer Methoden und Messinstrumente, erklärt Peter Hajek: „unser Labor ist der Wahltag“

Ob das bedeutet, dass auch bei zukünftigen Wahlen mit weniger Umfragen zu rechnen ist? Darauf möchte man sich heute noch nicht festlegen.