Roman von Anna Mitgutsch

Die Annäherung

Die Geschichte einer prekären Vater-Tochter-Beziehung, in der sich die zeithistorischen Verwicklungen des Zwanzigsten Jahrhunderts spiegeln, erzählt Anna Mitgutsch in ihrem neuen Roman, "Die Annäherung".

"Eine nuanciertere, wahrhaftigere, berührendere Familiengeschichte hat man in jüngster Zeit kaum gelesen"

Seit dem fulminanten Erfolg ihres Debütromans "Die Züchtigung" (1985) hat die in Linz lebende Autorin im Durchschnitt alle drei, vier Jahre einen von der Kritik hochgelobten Roman vorgelegt. Jetzt hat die 68-Jährige einen weiteren bemerkenswerten Roman publiziert.

Äste eines Baumes

Luchterhand Verlag

Theo ist sein Leben lang der Inbegriff des Befehlsempfängers gewesen: als 08/15-Landser in der deutschen Wehrmacht, als betriebsamer Gärtnereifachangestellter - und als schweigsamer Ehemann, den seine beiden Ehefrauen nach Lust und Laune dominieren durften.

Als er mit 96 von einem Schlaganfall niedergestreckt wird, können sich weder Ehefrau noch Tochter um ihn kümmert, und so übernimmt Ludmila, eine junge Frau aus der Ukraine. Theo entwickelt zu der sympathischen Pflegerin eine kindlich innige Zuneigung, der Ehefrau und Tochter fassungslos zusehen müssen.

"Dieser Theo ist ein Prototyp des österreichischen Mannes dieser Generation", sgat die Autorin. "Das sind Männer, die mit ihren Gefühlen nicht umgehen und sie auf keinen Fall äußern können. (...) Theo ist ein Durchschnittsmensch, ein solider Handwerker, der in eine historische Lage gerät, die über seine Kapazität geht. Er ist ja weder ein Nazi noch bei der SS noch interessiert er sich überhaupt für das Regime. Als die Nazis an die Macht kommen, schreibt er Liebesgedichte an das Mädchen, das er verehrt. Und trotzdem: Weil er in diese Zeit hineingeboren wird, ist es nicht anders möglich, als dass er sich schuldig macht."

Anna Mitgutsch gelingt in ihrem Roman das verstörend intensive Porträt einer Familie am Rande der Sprachlosigkeit.

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Anna Mitgutsch, "Die Annäherung", Roman, Luchterhand Verlag