Reinhard Kaiser-Mühlecker

APA/dpa/Arne Dedert

Roman von Reinhard Kaiser-Mühlecker

Fremde Seele, dunkler Wald

In seinem jüngsten Roman erzählt Reinhard Kaiser-Mühlecker die Geschichte zweier Brüder und führt dabei vor, wie beschränkt der Handlungsspielraum jedes einzelnen ist. Nominiert für den Deutschen Buchpreis 2016.

In eine Bauernfamilie hineingeboren, sind die beiden vielversprechende Hoffnungsträger. Alexander, der ältere, hat sich für die Schule entschieden, um Priester zu werden. Eltern und Großeltern sind erleichtert, als er die Ausbildung abbricht und sich beim Heer andient. Dem Einsatz im Kosovo folgt eine Stelle im Ministerium. Ein untadeliger Beamter. Privat allerdings stürzt er sich in eine riskante Affäre mit der Frau seines Vorgesetzten. Nachdem sie mit ihm bricht wird er zum Eigenbrötler, ein Hagestolz mit seltsamen Leidenschaften und Obsessionen.

Auch sein Bruder Jakob ist einer dieser schwer fassbaren, melancholischen Charaktere, wie man sie von Kaiser-Mühlecker kennt: Er ist leidenschaftlich Bauer und darin zum Hoferben prädestiniert. Schon als Vierzehnjähriger betreibt er die Landwirtschaft, wenn der Vater unterwegs ist, um mit einer seiner phantastischen Geschäftsideen das große Geld zu machen. Doch dann müssen Wiesen und Äcker verkauft werden, um die Verluste aus den erfolglosen Spekulationen auszugleichen.

Kaiser-Mühlecker verschränkt die zwei Biografien. Es dauert nur ein, zwei Jahre, und ihrer beider Leben ist aus dem Tritt. Manchmal sind es scheinbare Kleinigkeiten und sonderbare Zufälle, die sich zum Drama zuspitzen. Nichts, was sich aufhalten ließe. Wieso hat niemand eingegriffen? Wieso bleiben die Eltern und Großeltern so statisch, wieso bietet sich niemand an, den Söhnen beizustehen? Der Roman verweigert die Antwort, vieles bleibt Geheimnis.

Das Aufwühlende des Romans liegt in seiner fast schon subversiv anmutenden Ruhe. Die Figuren entwickeln sich in einem Umfeld, das immer noch im Faschismus wurzelt. In diesem ländlichen Gefüge treffen Menschen kaum je wirkliche Entscheidungen, sie überlassen sich ihrem Schicksal.

Service

Reinhard Kaiser-Mühlecker, "Fremde Seele, dunkler Wald", Roman, S. Fischer Verlag