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Filmkolumne
"South Park" - mehr als Fäkalhumor & Obszönitäten
Vor 20 Jahren, am 13. August 1997, flimmerte die erste Folge einer neuen amerikanischen Animationsserie über die Bildschirme: "South Park" von Trey Parker und Matt Stone. Eine Zeichentrickserie über vier kleine Jungs in der Provinz von Colorado. Das Hit-Potenzial der Show war überschaubar.
18. September 2017, 02:00
Die Spice Girls waren damals Nummer eins in den Charts, Microsoft kaufte Anteile von Apple um die angeschlagene Firma zu unterstützen, zwei Wochen später sollte Lady Di in einem Pariser Tunnel verunglücken. Und was passierte auf Comedy Central. Der kleine Kabelkanal landet mit "South Park" den ganz großen Treffer. 20 Jahre später ist "South Park" immer noch da. Ungebrochen laut, ungezogen und obszön. Mit weiterhin derben Sprüchen und unpoliertem Look. "South Park" ist aber mehr als Fäkalhumor und Obszönitäten - die Serie etablierte sich längst als Dauer-Kommentar zu Zeitgeschehen, Popkultur und Politik.
Kulturjournal, 18.8.2017
Hort der Gesellschaftskritik
In Zeiten, in denen politische Inkorrektheit in den USA staatstragend weil präsidentielles Stilmittel geworden ist, mag ein animierter TV-Cartoon auf den ersten Blick kein Hort brachialer Gesellschaftskritik sein. Doch genau das ist die Serie "South Park" seit 20 Jahren.
AP/DAMIAN DOVARGANES
Trey Parker und Matt Stone, 1997
Das Rezept ist einfach, die Figuren zweidimensional, die Umsetzung bewusst krude. Mit "South Park" haben Trey Parker und Matt Stone ein kindliches Format zum satiregetränkten Mikrokosmos amerikanischer und weltpolitischer Befindlichkeiten hochgezüchtet.
Ob Saddam Hussein mit Satan persönlich intim wird, ob es um Donald Trump, George Bush, Konsumkritik, Videospiele, die Macht von Konzernen wie Apple oder um Rassismus geht - "South Park" oszilliert in seiner wöchentlichen Kommentarfunktion zwischen fast unerträglicher Derbheit, zwischen Fäkalhumor und Zitaten aus Popkultur, Filmgeschichte, Literatur und Computerspielen.
"South Park" = Punk
Eigentlich ist die Serie das Porträt der ewigen Bubenabenteuer von Stan Marsh, Kyle Broflovski, Eric Cartman und Kenny McCormick. Vier frühreife und rotzfreche Bengel als televisionäre Hofnarren im unverdächtigen Cartoon-Kostüm. Das ordinäre, pulsierende Zentrum der Serie ist unbestritten Cartman, als reaktionär-konservativer Rassist, Anti-Semit, Misanthrop und Sexist der ideale Reibebaum. "South Park" ist alles was Punk einmal sein wollte und schon lange nicht mehr ist. Herrlich dilettantisch, angetrieben vom Willen zur Provokation, von der Lust zu schockieren und so gutbürgerliche Borniertheit genüsslich zu entlarven.
Bevorzugt attackiert wird, was als vorgekautes Weltbild die komplizierte eigene Meinungsfindung ersetzen soll. Besonders hingebungsvoll geschieht das bei Glaubenssysteme und Ideologien. Berühmt ist etwa die Folge über Scientology, die Tom Cruise höchstpersönlich in Großbritannien gerichtlich verbieten ließ. Stan wird hier zum Wiedergänger des Scientology-Kirchengründers L. Ron Hubbard.
Rekordhalter in Sachen Flüche
277 Folgen wurden bisher ausgestrahlt und bis mindestens 2019 ist "South Park" gesichert. Zwölf Emmies, eine Oscar-Nominierung, ein MTV-Award und ein Peabody Award stehen auf der künstlerischen Haben-Seite. Nur die "Simpsons", "Law & Order" und die Western-Serie "Rauchende Colts" liefen - bisher - noch länger.
Mit der Oscar-Nominierung für den Besten Song zum Kinofilm aus dem Jahr 1999 ging auch ein Eintrag ins "Guiness Buch der Rekorde" einher: unübertroffen bisher die meisten Flüche in einem Animationsfilm, 399 an der Zahl - eine Orgie aus 146 fucks, 79 shits und 59 bitches, 128 obszöne Gesten, 221 Akte der Gewalt.
Engstirnigkeit, Scheinheiligkeit und Doppelmoral als Endgegner
In ihren besten Momenten ist die Show die Comic-Reinkarnation von Monty Python, nur schamloser, obszöner, kritischer und viel viel schlechter animiert. Und wie in jedem guten Märchen gibt es am Ende regelmäßig die Moral von der Geschichte.
"South Park" will unterhalten und erhellen. Es geht um Aufklärung im Comic-Format. Dabei kann es schon vorkommen, dass die Satire-Pfeile ihr Ziel grandios verfehlen. Dahinter steht jedoch der Anspruch, die Dinge beim Namen zu nennen, um sie erkennbar zu machen. Auch Donald Trump kennt keine Tabus und spielt mit dem Reiz des Verruchten. Bei "South Park" aber sind Engstirnigkeit, Scheinheiligkeit und Doppelmoral nicht Fundament, sondern Endgegner.