Filmkolumne

Die gelbe Gefahr

Im April vor 30 Jahren flimmerte erstmals die ungewöhnlichste Familie der Film- und Fernsehgeschichte über die Bildschirme. Die Simpsons eroberten in Rekordzeit die Herzen und Lachmuskeln des Publikums und wurden zur am längsten laufenden US-Zeichentrickserie der Fernsehgeschichte.

Kulturjournal, 4.8.2017

Wolfgang Popp

Die vom Zeichner Matt Groening geschaffene Familie war aber nicht nur schrecklich nett, sondern auch schrecklich gelb, wie übrigens auch die boshaften kleinen Minions, die im Kino der letzten Jahre einen ungeahnten Erfolgslauf hingelegt haben. Als unverständlich quasselnde, bösartige und sadistische kleine "Zecken". Ist es aber ein Zufall, dass wandelnde Zeitbomben wie Homer Simpson, oder Kevin, Stuart und Bob Minion gelb sind.

Matt Groening

Matt Groening

AP/TONYA WISE

Warum gelb?

"Sie sollten nichts ähnlich sehen, was es sonst im Fernsehen gab, denn wenn man durch die Kanäle zappte und einen gelben Blitz wahrnahm, sollte man sofort wissen, das sind die Simpsons", meinte Simpsons-Schöpfer Matt Groening einmal auf die Frage, warum die Simpsons gelb wären. Genauer wurde David Silverman, zuständig für die Animation der ersten Simpsons Folgen. Die gelbe Hautfarbe habe einen ganz praktischen Grund, meinte er. Weil die Simpsons keine Haarlinie hätten, hätte es eine Farbe gebraucht, die sowohl als Haar- als auch als Hautfarbe durchging.

Simpsonsfiguren

AP/YI MING

Die Simpsons-Familie

Typologie nach Max Lüscher

Vielleicht war es aber viel mehr die besondere Persönlichkeit der Simpsons, die nach dem gelben Teint geschrien hat. Aber lesen wir nach beim Schweizer Psychologen Max Lüscher, der eine Typologie aufgestellt hat, je nachdem zu welcher Farbe sich ein Mensch hingezogen fühlt.

"Der gelbe Denktyp wird als oberflächlich, nicht logisch denkend angesehen, da sein Denken ungeordnet ist und auf Gefühlen beruht, die man rational nicht begründen noch beweisen kann." Und in seinem Buch "Der 4-Farben-Mensch" meint Max Lüscher weiter: "Der gelbe Denktyp handelt kindlich verspielt. Seine Einfälle sind oft gedankliche Spielereien, die keinen praktischen Nutzen haben und niemandem zu etwas dienen."

"Der optische Schrei eines irren Gelächters"

Gelb, kindlich verspielt und darüber hinaus auch noch hemmungslos boshaft sind die Minions. Sie existieren seit 2010 auf der Kinoleinwand, aber eigentlich seit es Leben gibt und wurden seit jeher getrieben von dem Wunsch dem größten Bösewicht auf Erden zu dienen. Ein klarer Fall für den Psychologen. In dem Fall kontaktieren wir den Deutschen Eckart Heimendahl. 1961 hat der in seinem Buch "Licht und Farbe" in fast hellseherischer Weise gemeint: "Reines Gelb ist aufreizend und zudringlich, es ist der optische Schrei eines unverschämten, irren Gelächters."

Natürlich waren sich auch die Künstler der besonderen Wirkung von Gelb bewusst. So schrieb Wassili Kandinsky, dass ein grelles Gelb "... frech und aufdringlich auf das Gemüt wirkt, und wie eine immer lauter geblasene scharfe Trompete oder ein in die Höhe gebrachter Fanfarenton klingt". Gelb könnte als die farbige Darstellung des Wahnsinns wirken, eines Wutanfalls, der blinden Tollheit, der Tobsucht.

Smileys Geburtsstunde

Wenn Emotionen hochgedreht werden sollen, dann kommt man ohne Gelb nicht aus. Das wusste schon der Werbegrafiker Harvey Ball. Noch nie gehört? Ball war derjenige, der im Dezember 1963 einem gelben Kreis zwei Augenpunkte und einen geschwungenen Mundstrich verpasst und damit das ikonische gelbe Gesicht überhaupt, den Smiley, aus der Taufe gehoben hat. Um die Stimmung unter den Mitarbeitern einer Versicherungsgesellschaft zu heben.

Jailbreak, Gene und Hi-5

2017 SONY PICTURES

Harvey Ball bekam für seinen Entwurf gerade einmal 45 Dollar, der krankhafte Dauergrinser und Stimmungsdiktator Smiley geistert seit damals aber mit uneingeschränkt guter Laune durch die Welt. Ja, und vermehrt hat er sich auch. Und zwar wie ein Karnikel in Stimmung. Zu hunderten geistern die Emojis durch die Datenwelt und in Bewegung geraten sind sie auch, denn gerade ist "Emoji", der Film bei uns angelaufen.

Smileys Nachkommen tragen jetzt nicht mehr nur sein Lächeln in die Welt, sondern auch Tränen, Zweifel und Zorn. Das gesamte Gefühlsleben ist gelb geworden, jede Regung wird zum gelben Punkt eines Rufzeichens, Daueremotionalität ist angesagt. Vielleicht würden der Welt ein paar Emojis mit kühlblauem Kopf ganz gut tun. Und das grelle Gelb lassen wir dafür dort, wo es hingehört: Nach Springfield nämlich, wo derzeit an einem neuen Simpsons-Kinofilm gebastelt werden soll.

Gestaltung

  • Wolfgang Popp

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