ORF/GÜNTHER PICHLKOSTNER
NÖN-Herausgeberin Walterskirchen
"Gibt immer wieder Druckversuche"
Die neue Herausgeberin der "Niederösterreichischen Nachrichten" (NÖN), Gudula Walterskirchen, spricht im #doublecheck-Interview mit Rosanna Atzara über die Zukunft der größten niederösterreichischen Kaufwochenzeitung, Versuche des politischen Einflusses und journalistische Prinzipien.
2. Oktober 2017, 02:00
Die Niederösterreichischen Nachrichten erleben turbulente Zeiten. Mit Gudula Walterskirchen steht seit Mai erstmals eine Frau an der Spitze des Pressevereins der Diözese St.Pölten. Damit wurde sie zur Herausgeberin der NÖN und der „Burgenländischen Volkszeitung“ (BVZ). Vor Walterskirchen hatten nur Priester diese Funktion inne. Sie hat angekündigt, ihre Herausgeberschaft „aktiv“ anlegen zu wollen. Mit dem überraschenden Abgang von Chefredakteur Martin Gebhart im Sommer hat tatsächlich kaum jemand gerechnet. Ihm folgt jetzt der langjährige „Presse“-Innenpolitikredakteur Karl Ettinger als Chefredakteur nach.
Hintergründe statt Tagesaktualität
"Ich glaube, dass ich die Herausgeberschaft aktiv anlegen werde, habe ich jetzt hinlänglich bewiesen", kommentiert Walterskirchen die jüngsten personellen Veränderungen bei den NÖN. Von diesen Neubesetzungen und Abgängen abgesehen, will Walterskirchen den Fokus auf vertiefende Information legen. Dass es in Niederösterreich – genauso wie im Burgenland – keine eigene Tageszeitung gibt, habe sie anfangs als Problem empfunden. Mittlerweile habe sich ihr Zugang geändert, sagt Walterskirchen: "Das wirkliche Bedürfnis der Leser ist nach einer Vertiefung und nach einer Orientierung. Das ist auch die Chance einer Wochenzeitung in dieser heutigen Zeit."
Neuland Internet
Das Netz haben die NÖN ein wenig verschlafen. Das hänge einerseits mit der Leserstruktur zusammen, aber auch mit mangelnden Personalressourcen und der ewigen Konkurrenz zwischen Print und Online. Ziel sei es jetzt „Online zu einer sinnvollen Ergänzung zu Print zu machen, was sich bei einer Wochenzeitung ja besonders anbietet“, sagt Walterskirchen.
"Druckversuche von politischer Seite"
Die NÖN sind die wichtigste Kaufwochenzeitung in Niederösterreich. Als solche sei man auch immer wieder politischen Einflussversuchen ausgesetzt – das sei allerdings ein Problem, das nicht auf Niederösterreich begrenzt sei, so Walterskirchen: "Es gibt immer wieder Vereinnahmungsversuche, es gibt auch immer wieder Druckversuche auf Medien von politischer Seite. Die Frage ist: steige ich drauf ein oder nicht? Meine Linie ist es nicht und die aktuelle Linie des Hauses ist es auch nicht."
Gudula Walterskirchen im Interview mit Rosanna Atzara
Die von der Absetzung des Chefredakteurs überraschte Landespolitik habe man bewusst nicht vorinformiert, es sei eine "autonome Entscheidung eines Verlages" gewesen, sagt die Herausgeberin. Auch wenn natürlich Erwartungen da seien: "Ich verstehe, dass eine dominante Landespartei und auch eine Landeshauptfrau Interesse an den Vorgängen im wichtigsten Landesmedium hat. Das wäre ja auch seltsam, wenn ihr das egal wäre", sagt Gudula Walterskirchen.
Die Freiheit des Kommentars
Walterskirchen eilt ein ultrakonservativer Ruf voraus. Als Gastkommentatorin in der Tageszeitung "Die Presse" stand sie wiederholt in Kritik - etwa mit einem Kommentar, erschienen im Dezember 2015. Da schrieb Walterskirchen, dass sich Muslime vermehrt durch Weihnachtsmärkte beleidigt fühlten. Eine Grundlage für diese Aussage lieferte Walterskirchen nicht. Zur Frage, ob der Stil ihrer Kommentare auf die NÖN abfärben werde, sagt Gudula Walterskirchen, sie lege "größten Wert auf Seriosität" und Sachlichkeit. Außerdem müsse man zwischen Kommentaren, also Meinung, und Artikeln unterscheiden. Und als Herausgeberin werde sie ohnehin nicht für die NÖN schreiben.
Gudula Walterskirchen im Interview, Teil 2
Hinter den Niederösterreichischen Nachrichten steht die Kirche. Herausgegeben wird sie vom NÖ Pressehaus. Dieses ist mit 54 Prozent in Besitz der Diözese St. Pölten, 26 Prozent gehören dem Presseverein der Diözese St. Pölten und 20 Prozent hält Raiffeisen.