Joseph Beuys

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Positionen in der Kunst - Joseph Beuys

Seine Vorstellungen von einem erweiterten Kunstbegriff, der zum Beispiel bedeuten konnte, 7.000 Eichen in der Stadt Kassel zu pflanzen, prägen das ästhetische Feld bis heute. Joseph Beuys wollte den Kapitalismus abschaffen und reüssierte ihn ihm doch so wie kaum ein anderer Künstler - in den weltweiten Kunst-Charts belegte er zeitweise Platz. Das ist nur eines der zahlreichen Paradoxa, die sich mit der Person verknüpfen, die als Universitätslehrer für alle erreichbar und trotzdem unnahbar war.

Heute ist Joseph Beuys, der im Jahr 1986 verstarb, längst ein kanonisierter Avantgardist – so wie Picasso, Warhol, Marcel Duchamp. Aber auch ein Sozialutopist, dessen gesellschaftspolitische Projekte gescheitert sind. Sein Freund, der Studentenführer Rudi Dutschke, schrieb in sein Tagebuch: "Joseph war brillant in der Kunst und unwissend in der Ökonomie."

Fettwinkel

Joseph Beuys "Fettwinkel"

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Ein "erweiterter Kunstbegriff"

Joseph Beuys war viele Jahre lang Professor an der Kunstakademie in Düsseldorf, ehe er 1972 fristlos entlassen wurde. Die Tatsache, dass er alle Studenten in seiner Klasse aufnahm, die von anderen Professoren abgewiesen worden waren, in Summe 268, stieß dem zuständigen Ministerium in Nordrhein-Westfalen sauer auf. Eine solch liberale Praxis ließ sich nicht mit dem Kunstbegriff der bürgerlichen Mitte vereinbaren, deshalb waren die Konsequenzen radikal.

In den Jahren davor, speziell in der Zeit der Studentenproteste um 1968 hatte Beuys konsequent seine Vorstellungen von universitärer Lehre umgesetzt, die sich stark von denen der Kollegen unterschieden: Der Künstler war fast täglich in der Akademie zugegen, selbst am Samstag und in den Semesterferien. Er pflegte keinerlei Stargehabe, obwohl er zu diesem Zeitpunkt schon ein großer Name im deutschen Kunstbetrieb war und er versuchte, den Studenten seinen "erweiterten Kunstbegriff" nachhaltig näherzubringen.

"Das Ende des 20. Jahrhunderts".

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"Das Ende des 20. Jahrhunderts"

Mediale Sichtbarkeit und Kritik

Joseph Beuys war immer sehr klar und transparent in seinen öffentlichen Äußerungen, mit denen er nicht gerade sparsam umging – ob es nun Kunsttheorie betraf oder Politik. Umso rätselhafter erschien vielen Beobachtern jene Kunst, die er in den sechziger Jahren in faszinierenden Tableaux als performative Aktionen entwarf und mit epigrammatisch-poetischen Titeln versah: "wie man dem toten Hasen die Bilder erklärt", "Infiltration Homogen für Konzertflügel" oder "und in uns...unter uns … landunter". Bei diesem 24-Stunden-Happening in der Wuppertaler Galerie Parnass brachte Beuys sein "Dingvokabular" aus ungewöhnlichen künstlerischen Materialien wie Honig, Kupfer, Fett und Filz zur Anschauung und verstörte damit nicht wenige Kunstinteressierte.

Die Zeit seines hermetischen und symbolisch verklausulierten Aktionismus bescherte dem Künstler und gesellschaftspolitischen Vordenker Joseph Beuys eine größere mediale Sichtbarkeit. Gleichzeitig aber mehrten sich auch die kritischen Stimmen, die ihn fortan bis zum Ende seines Lebens begleiten sollten. Kritiker und Ausstellungsbesucher nannten ihn einen "Schamanen" oder einen "Scharlatan" und diagnostizierten, so wie der britische Kunstkritiker John Anthony Thwaites eine Kluft zwischen seinen utopischen Idealen und einer grotesken Selbstüberhöhung.

Jeans, Anglerweste und Hut

Während die Kunst schwer darstellbar und vermittelbar war, so hatte das öffentliche Bild von Beuys in seiner Künstleruniform hohe Prägnanz: Jeans, Anglerweste und der unvermeidliche Hut, ohne den man ihn kaum je sehen konnte. Das frühe Imagebewusstsein teilte Joseph Beuys mit seinem amerikanischen Kollegen Andy Warhol, der mit seiner Silberhaarperücke eine ebenso auffällige Erscheinung war.

Aus heutiger Sicht erinnert man sich an Joseph Beuys, der 1986 im Alter von 64 Jahren verstarb, vielleicht besser nicht als den Kunstheiligen vor dem ständig eine Monstranz hergetragen wird, sondern als Meister von Scherz, Satire, Ironie und tieferer Bedeutung und als Geist der stets verneint. Und das mit Recht, würde Goethe sagen. Denn alles, was entsteht, ist wert, dass es vergeht.