Heinz Christian Strache und Viktor Orban

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Ibiza-Affäre

Der blaue Albtraum von Orbánistan

"Wir wollen eine Medienlandschaft ähnlich wie der Orbán aufbauen", hört man Heinz-Christian Strache im berühmten Ibiza-Video sagen. Und er erläutert im Detail, wie er sich das vorstellt. Natürlich den ORF schwächen, aber auch: die "Kronen Zeitung" verschachern. Dort - zack, zack, zack - aufräumen und das Blatt für parteipolitische Zwecke einsetzen. Ein Offenbarungseid, der Schockwellen ausgelöst hat.

Die stärksten Medien des Landes gleichschalten, das war eine der Phantasien von Heinz-Christian Strache auf Ibiza. Den ORF hat die FPÖ ja immer auch ganz offen und zum Teil brutal im Visier gehabt, aber die "Kronen Zeitung" verschachern, um die eigene Partei zu pushen: das war neu. Die FPÖ ist von der "Krone" lange extrem freundlich behandelt worden. Umso bitterer ist jetzt das Erwachen - und umso rigoroser klingen die Konsequenzen, die gezogen werden sollen.

Straches prahlerischer Loyalitätsbruch

Der Medienwissenschafter Josef Trappel von der Universität Salzburg spricht von einem Loyalitätsbruch, den Strache mit seinen Prahlereien in Ibiza verursacht habe. "Krone"-Chefredakteur Klaus Herrmann wiegelt ab und bestätigt es dann doch irgendwie. "Weder waren wir einer Partei gegenüber loyal, und schon gar nicht war die FPÖ uns gegenüber loyal." Nachsatz: Das müsse sie auch nicht sein, aber die FPÖ habe die durchaus freundliche Berichterstattung der "Kronen Zeitung" offenbar nicht geschätzt. Für Herrmann ist die Welt mit den schockierenden Aussagen der FPÖ-Leute in Ibiza eine andere geworden.

Die Medienwelt, die der "Krone" nicht gefällt

"Zack, zack, zack. Drei, vier Leute, die müssen wir pushen. Drei, vier Leute, die müssen abserviert werden." Das ist die Medienwelt, wie sie Heinz-Christian Strache gefällt. Er wollte es wie Viktor Orbán in Ungarn machen und prahlte gegenüber der vermeintlichen Nichte eines russischen Oligarchen mit Kontakten zu Heinrich Pecina, dem Mann, der die wichtigste ungarische Oppositionszeitung "Népszabadság" geschlossen hat. Analysen zufolge kontrolliert Orbán bis zu 80 Prozent des ungarischen Medienmarkts. Darüber hat die "Kronen Zeitung" zuletzt einen kritischen Bericht gebracht, den man in dem Blatt so zuvor nicht für möglich gehalten hätte.

Plötzlich kriegt man Interviews

Die "Krone"-Führung hat auch kommunikativ umgeschaltet, auf eine neue Offenheit. Plötzlich bekommt man auch Interviews mit dem Chefredakteur, Anfragen von #doublecheck vor Ibiza sind stets gescheitert. Klaus Herrmann gibt sich jetzt selbstkritisch: "Wir werden sehr oft völlig ungerechtfertigt angefeindet, aber manchmal gab es schon Ausrutscher, die mehr denn je jetzt zu vermeiden sind." Eine logische Reaktion, die "Kronen Zeitung" sei in Zugzwang, meint Medienexperte Josef Trappel: "Die haben erkannt: Wir haben uns zu nahe heranbegeben an diese Partei, und jetzt müssen wir, um gegenüber den Lesern und Leserinnen glaubwürdig zu bleiben, demonstrieren, dass wir anders sind, das wir die Distanz wahren."

Die Huren und der Heilige Richard Schmitt

"Journalisten sind ja sowieso die größten Huren auf dem Planeten. Sobald sie wissen, wohin die Reise läuft, funktionieren sie so oder so." Sprach Strache in Ibiza, ausgenommen hat er lediglich Richard Schmitt, den Chefredakteur der Online-Ausgabe der "Kronen Zeitung", zu dem Strache immer einen besonders guten Draht gehabt hat. Schmitt sei "einer der besten Leute, die es gibt" - und der hat es ihm auf Twitter mit den Worten gedankt: "Weil auch Strache weiß, dass ich mich nie kaufen lassen würde, von niemandem."

Im "Krone"-Haus in der Muthgasse ist diese Reaktion von Schmitt nicht gut angekommen, seine künftige Rolle ist ungewiss. Schmitt hat die Website krone.at groß gemacht, zur Nummer zwei hinter ORF.at laut der Webanalyse ÖWA plus. Dabei war ihm fast jedes Mittel recht - von Falschmeldungen über Hetze bis hin zum Ping-Pong-Spiel mit Straches starker Facebook-Seite.


Krone.at wird an die Kandare genommen

Das heißt, es gingen viele Artikel online, nur damit Strache sie teilt. Print-Chefredakteur Klaus Herrmann räumt ein, dass das weit von der Familienzeitung im Sinne des Gründers Hans Dichand weg sei. "Das wird hinterfragt, und auch ob Ping-Pong-Spiele mit irgendeiner Partei vernünftig sind und der Marke 'Kronen Zeitung' gut tun." Fix sei jedenfalls, "dass der Online-Auftritt der Zeitung näherrücken wird, als er das bisher getan hat".

Ein anderes Sorgenkind ist der sogenannte Star-Kolumnist Michael Jeannée, der mit seinen Briefen an Politikerinnen und Promis schon oft danebengegriffen hat. Klaus Herrmann will nicht auf Jeannée verzichten, hat ihn aber, wie er durchblicken lässt, an die Kandare genommen. Also keine persönlichen Angriffe und sexistischen Ausfälle mehr? "Das kann ich jetzt nicht für immer ausschließen, aber wir werden sicher noch genauer hinschauen und er wird selber auch schauen, dass er gewisse rote Linien nicht unterschreitet oder überschreitet."

"Vielleicht war man doch nicht ganz anständig"

Alles wird hinterfragt, was dabei herauskommt, ist offen. Die "Kronen Zeitung" will jedenfalls eine Imagekorrektur, das geht so weit, dass Herrmann die "Krone" im Rückblick auf 2015 freiwillig jener Fraktion zuordnet, die die Rechten als Willkommensklatscher verspotten. Man sei damals durchaus freundlich gewesen, und grundsätzlich "versuchen wir immer wieder, das werden wir jetzt verstärken, anständig mit diesem Thema umzugehen".

Viele nehmen der "Krone" diesen Kurswechsel noch nicht ab, zum Beispiel der IT-Unternehmer und Gründer des Medien-Watchblogs Kobuk, Helge Fahrnberger, der die Zeitung schon lange beobachtet. "Wenn der Chefredakteur sagt, sie wollen anständiger sein, und wenn das Wort 'unabhängig' im 'Krone'-Logo seit Ibiza doppelt so groß geschrieben wird wie vorher - vielleicht war man vorher auch nicht ganz unabhängig, vielleicht war man auch nicht ganz anständig?"

Der Seitenwechsel hat bei Dichands Tradition

Die "Kronen Zeitung" habe immer wieder die Seiten gewechselt, das sei eine Konstante in ihrer Geschichte, sagt Josef Trappel, der Medienwissenschafter. "Ich glaube nicht, dass dahinter ein Masterplan steckt, dass man gewisse Parteien unterstützen möchte, sondern dass die 'Kronen Zeitung' in der ihr eigenen Art auf die Befindlichkeiten der Menschen schaut und versucht, die Mehrheiten zu erreichen." Ein Punkt, den Chefredakteur Klaus Herrmann mit einer Ansage in Sachen Klimaschutz unterstreicht: "Ich glaube, das wir da eine wichtige Rolle spielen, dass wir mit unserer Kraft da was zum Positiven bewegen können." Der Klimaschutz wird Top-Thema im Wahlkampf sein. Glücklich, wer die mit Abstand größte Zeitung des Landes auf seiner Seite hat.

Eigentümerstreit und neue ORF-Solidarität

Dass Unabhängigkeit bei der Krone jetzt so großgeschrieben wird, das hängt auch mit dem Eigentümerstreit zusammen. Dass Strache im Sommer 2017 auf Ibiza schon von einem Einstieg des Immobilieninvestors René Benko bei der "Kronenzeitung" gesprochen hat, hat den Argwohn der Familie Dichand und die Sorge vor einer realen Entmachtung nicht verringert. Im Gegenteil.

Der "Krone" hat das jetzt auch die Augen geöffnet in Richtung ORF, der unter Schwarz-Blau um seine Unabhängigkeit bangen musste. Den FPÖ-Schlachtruf "Weg mit den Zwangsgebühren" hat das Boulevardblatt phasenweise lautstark unterstützt. Klaus Herrmann sagt dazu heute: "Auch da hat es einen Ruck bei uns gegeben, weil wir jetzt viel besser nachvollziehen können als noch vor kurzem, was so ein Angriff von außen bedeuten kann. Und natürlich ist uns jetzt umso bewusster, welchen Angriff die FPÖ auf den ORF reiten wollte."

Mutmaßlich "Krone"-Herausgeber Christoph Dichand persönlich hat in den heißen Ibiza-Tagen unter dem Pseudonym "Aurelius" einen Kommentar dazu geschrieben, Zitat: "Die Unabhängigkeit und Freiheit der Medien muss gelebt werden können, geschützt von und vor der Politik. Sogar dann, wenn für die Aufrechterhaltung einer Institution wie dem ORF Gebühren notwendig sind."

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