Fliegende Möwen

AFP/BULENT KILIC

Das Ende vom Ende der Welt

Essays vom Vogelnarren Franzen

Seit dem Erscheinen seines Romans "Die Korrekturen" 2001 gilt der US-Amerikaner Jonathan Franzen als einer der wichtigsten Gegenwartsautoren. Jetzt erscheint mit "Das Ende vom Ende der Welt" ein Essayband auf Deutsch, in dem es um Politik genauso wie um Franzens große Leidenschaft, die Vogelbeobachtung, geht.

Morgenjournal | 11 06 2019

Wolfgang Popp

Die Vogelbeobachtung ist bei Jonathan Franzen kein Hobby, wird beim Lesen schnell klar, sondern eine Obsession. Um seltene Arten aufzuspüren, reist Franzen um die ganze Welt und führt dabei ehrgeizig Listen seiner Sichtungen.

Bekehrung durch die Wilson-Drossel

In mehreren Reisereportagen kann man den leidenschaftlichen Vogelbeobachter Jonathan Franzen durch den Dschungel von Costa Rica oder auf zwei Karibikinseln begleiten und mit ihm dabei durchs Fernglas schauen.

Jonathan Franezn

BEOWULF SHEEHAN

Jonathan Franzen: "Es gab diesen einen Bekehrungsmoment, als ich wie einst Saulus zu Paulus zum Vogelbeobachter wurde. Es war an einem sonnigen Maitag im Central Park, wo ich eine Wilson-Drossel entdeckte, sie unglaublich schön fand, und mich fragte, was das wohl für ein Vogel sei."

Trump und Düsterspecht

Während der letzten Präsidentschaftswahl, liest man im ersten Text des Buches, "Der Essay in finsteren Zeiten", war Jonathan Franzen gerade in Afrika unterwegs.

Ich war am Wahltag in Ghana, zum Vögelbeobachten: im festen Glauben, dass es für Clinton noch immer einen Weg zum Erfolg gebe, sah ich Hartlaub-Tokos, einen Kuckucksweih und einen Düsterspecht.

Vom Zwergschwan zum Riesenproblem

Die Vögel sind für Franzen tatsächlich das Maß, wenn nicht aller, so doch vieler Dinge. Über sie steigt er in große Themen wie den Klimawandel ein, beginnt also bei Kaiserpinguinen und Zwergschwänen, bevor er das Phänomen auf eine gesellschaftspolitische Ebene hebt.

Jonathan Franzen: "Das größte Problem haben wir, wenn zu Umweltkatastrophen wie Dürren oder plötzlicher Wasserknappheit eine die Gesellschaft auflösende politische Situation kommt, und das Ganze noch durch den Umstand verschärft wird, dass wir verlernt haben, miteinander zu reden und Einigungen zu erzielen."

Aufgeschreckte Möwen (Ausschnitt des Covers)

ROWOHLT

Facebook verstaatlichen!

Womit wir bei einem anderen Thema sind, dem sich Jonathan Franzen gerne und gerne auch polemisch widmet. Dem Einfluss der digitalen Revolution auf das menschliche Miteinander. In seinem Text "Kapitalismus im Hyperdrive" beschäftigt er sich mit der Soziologin Sherry Turkle und ihrem Buch "Verloren unter 100 Freunden" und nimmt seinen Lieblingsfeind Facebook und die anderen Big Player der IT-Branche aufs Korn.

Jonathan Franzen: "Ich kann mir keine radikale Kursänderung ohne eine Verstaatlichung vorstellen. Zumindest zwei oder drei der fünf größten Unternehmen müssten der Gesellschaft als öffentliche Institutionen zur Verfügung stehen. Dann würden natürlich Regeln bestehen, und es würde weniger Geld erwirtschaftet werden, dafür würde es aber auch weniger Überwachung geben."

Scharf und gut

Ganz unterschiedliche Texte finden sich in dem von Bettina Abarbanell und Wieland Freund ins Deutsche übersetzten Essayband "Das Ende vom Ende der Welt". In seinen Polemiken ist Jonathan Franzen da überaus scharf, wirklich gut wird er aber dort, wo es um seine Leidenschaften, die Vögel und das Schreiben geht. Um aggressive Karakaras oder um seine schwierige Freundschaft zum Schriftstellerkollegen William T. Vollmann.

Service

Jonathan Franzen, "Das Ende vom Ende der Welt", Essayband, Übersetzung: Bettina Abarbanell und Wieland Freund, Rowohlt. Originaltitel: "The End of the End of the Earth"
Jonathan Franzen

Gestaltung

  • Wolfgang Popp

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