Menschen, die durch Teleskope schauen, Archivaufnahme

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Neue Medien-Plattformen

Blogger und ihr Drall im Wahlkampf

"EU-Infothek", "Zackzack" oder "Zoom" – alte und neu gegründete Blogs wollen den Wahlkampf aufmischen. Die Webseiten berichten über Leaks rund um die Ibiza-Affäre, recherchieren verdeckt oder wollen der linke Gegenpol zum Boulevard sein. #doublecheck hat mit den Betreibern gesprochen.

Seit Mitte Juli ist "Zackzack" online. Das Online-Medium wird von "Jetzt – Liste Pilz" gesponsert. Die Partei leistet sich damit ihr eigenes Portal, das ganz im Sinne der eigenen politischen Interessen berichtet – ähnlich wie das von FPÖ-Leuten gegründete "Unzensuriert" und die SPÖ mit "Kontrast". Fast jeder Artikel von "Zackzack" wettert gegen die ÖVP und deren Obmann Sebastian Kurz, die Bildsprache ist reißerisch. Für Aufsehen sorgte etwa eine zweifelhafte Karikatur von Beate Meinl-Reisinger, auf der die Neos-Chefin als Hündin an der Leine von Großspender Hans Peter Haselsteiner gezeigt wurde.

Reißerischer Boulevard soll Linke retten

Chefredakteur Thomas Walach, der auch für die Partei kandidiert, will bewusst mit den Mitteln des Boulevard arbeiten, wie er im Interview mit #doublecheck schildert. Die Linke kommuniziere nicht mit ihren Wählern, sagt Walach: "Als Reaktion auf den Aufstieg des Rechtspopulismus hat sich eine intellektuelle, linke Wohlfühlblase gebildet und die wollen wir durchbrechen." Walach findet nichts schmutzig am Boulevard: "Ganz viele Menschen lesen und schauen den Boulevard gerne. Sie haben auch ein Recht darauf, informiert zu werden."

Dass "Jetzt – Liste Pilz" hinter "Zackzack" steht, muss man allerdings kleingedruckt im Impressum suchen. 150.000 Euro sind bisher von der Partei an das Medienprojekt geflossen. Sollte sie nach der Wahl nicht mehr ins Parlament kommen, gehe es trotzdem weiter, sagt Walach, es gebe interessierte Investoren. Für das Projekt hat Walach sogar seinen Job als Universitätsassistent am Institut für Geschichte an der Uni Wien gekündigt.

Wenn eine Website Sebastian Kurz zoomt

Auch die Macher von "Zoom" leben vom Enthusiasmus. Die zehn Mitarbeiter rund um den IT-Techniker Florian Schweitzer arbeiten alle ehrenamtlich, anders als "Zackzack" verfolgen sie aber keine politische Agenda, sagt Schweitzer zu #doublecheck. "Zoom" thematisierte bisher allerlei Gerüchte um ÖVP-Obmann Sebastian Kurz und einen befreundeten Wiener Gastro-Unternehmer. Dafür recherchierte man sogar undercover in Wiener Clubs. Nach den ersten Berichten sprach die ÖVP vom nächsten Dirty-Campaigning-Angriff. Das sei falsch, so Schweitzer. "Wir wollen den Mächtigen auf die Finger schauen und die ÖVP ist derzeit die mächtigste Partei in Österreich." Auch Recherchen rund um die SPÖ seien im Laufen, sagt Schweitzer.

"Themen, über die sonst nur getuschelt wird"

Dass das Impressum von "Zoom" erst sehr spät veröffentlicht worden ist, nennt Schweitzer "typische Start-up-Probleme". Die Seite sei wegen des überraschenden Endes der Regierung schneller online gegangen als geplant, die Vereinsgründung habe gedauert. Das "Recherche Institut", der Inhaber von "Zoom", sitze deshalb auch in der Schweiz. In Österreich hätte alles noch länger gedauert, sagt Schweitzer, der bisher als einziger "Zoom"-Autor an die Öffentlichkeit getreten ist.

"Zoom" wolle über Themen berichten, über die sonst nur getuschelt werde. Journalistischer Qualität fühle man sich aber verpflichtet, betont Schweitzer, der früher für Greenpeace und das Liberale Forum gearbeitet hat. Bisher seien rund 150 Euro an Spenden zusammengekommen, Financiers im Hintergrund gebe es keine.

Der Automaten-Jäger als Ibiza-Aufdecker

Einen großen Scoop hat "Zoom" bisher noch nicht hervorgebracht - anders als die Website "EU-Infothek". Nur vier Tage nach Platzen der Ibiza-Affäre ist dort der erste Artikel über die Hintermänner des Videos erschienen. Der bis dahin völlig unscheinbare Blog rückte quasi über Nacht in den Blickpunkt der Öffentlichkeit. Renommierte Medien zitierten die Website und interviewten den Betreiber Gert Schmidt. Dieser hatte früh Zugang zu Johann Gudenus bekommen, der ihn auf die Spur eines Anwalts und eines Detektivs gebracht hat.

Schmidt verdient sein Geld, indem er für den Glücksspielkonzern Novomatic die schwarzen Schafe der Branche jagt. Er spürt Betreiber illegaler Spielautomaten auf - wobei die Casinos Austria AG, an der Novomatic beteiligt ist, nichts mit Schmidt zu tun haben möchte, wie dort betont wird. Die Novomatic bekennt sich aber zu Schmidt und Schmidt umgekehrt auch zur Novomatic. Im Interview mit #doublecheck spricht er von "Hetzkampagnen" gegen Novomatic und beklagt das schlechte Klima, das in Österreich gegen das Glücksspiel herrsche.

Der Wahrheit und Novomatic verpflichtet

Wie der Zufall spielt, ist die Novomatic unter jenen Firmen, die Heinz-Christian Strache im Ibiza-Video als potenzielle Parteispender nennt. Einen Zusammenhang mit seinen Ibiza-Recherchen bestreitet Schmidt aber, er diene der "Wahrheit und Gerechtigkeit".

Die "EU-Infothek" betreibe er als Hobby im Alleingang, wie Schmidt sagt. Seine Blog-Artikel werden immer wieder von FPÖ-Politikern mit viel Reichweite geteilt, dafür könne er aber nichts: "Wir haben keinen Drall nach links, rechts, Mitte, oben oder unten, unser Drall ist Richtung Wahrheit." Verschwörungstheorien würde er keine verbreiten.

"Das sind keine Journalisten"

Zweifel sind freilich erlaubt. 2016 etwa hat Schmidt einen Artikel veröffentlicht, der das Scheitern der Übernahme der Casinos durch die Novomatic beklagt hat. Schuld daran war aus Schmidts Sicht der "Tiefe Staat" - ein Verschwörungs-Code, den Rechtsextreme verwenden.

Auch der Kommunikationswissenschafter Jakob-Moritz Eberl von der Uni Wien mahnt zur Vorsicht. Beim Lesen und Teilen von Artikeln dieser Seiten sei ratsam zu wissen, wer dahintersteckt. "Das sind keine Journalistinnen und Journalisten, die diese Beiträge schreiben. Die haben eine ganz klare politische Ausrichtung. Das heißt nicht, dass alles, was auf solchen Seiten auftaucht, falsch wäre. Aber ich würde aufpassen, bevor ich diese Sachen weiterverbreite."

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