ORF/URSULA HUMMEL-BERGER
Wahlkampf
Hacker, Leaks und Hintermänner
"Alles nur Vermutungen. Und vor dem Hintergrund von Vermutungen und Nicht-Wissen wird Österreich wählen." So beschreibt die erfahrene Journalistin Anneliese Rohrer im Interview mit #doublecheck die Lage. Der ganze Wahlkampf ist von Ibiza und den Folgen durchzogen. Sommergespräche standen, Elefantenrunden und Duelle stehen im Bann der Ermittlungen der Justiz und der Enthüllungen durch die Medien. Und das war erst der Anfang. Die "Kronen Zeitung" spielt nach dem Bruch mit der FPÖ eine eigene Rolle.
7. Oktober 2019, 02:00
Der Stimmenbringer der FPÖ, Heinz-Christian Strache, ist in Ibiza untergegangen, sein Nachfolger Norbert Hofer buhlt um eine Fortsetzung der Koalition mit der ÖVP, die möglich, aber nicht sicher ist. Wenn es nach Claus Pandi, Politik-Insider der "Kronen Zeitung" geht, sogar völlig ausgeschlossen: "Es ist für mich vollkommen undenkbar, dass es ÖVP mit FPÖ noch einmal gibt. Es ist überhaupt jede Regierungsbeteiligung mit jedem von der FPÖ undenkbar", so Pandi. Die FPÖ ist bei der "Krone" seit Ibiza – Stichwort: Zack,zack,zack - unten durch.
Kurz als das neue Liebkind der "Krone"
Aber es gibt ein neues Liebkind des Boulevardblatts, das jetzt den Klimaschutz auf seine Fahnen geschrieben und sich ernsthaft zum Wahlschiedsrichter aufgeschwungen hat, der den Politikern gelbe und rote Karten zeigt. "Kurz volkstümlich wie nie!" "Kurz geht aufs Ganze: Platz eins ist ihm zu wenig!" Schlagzeilen wie diese zeigen, wo es entlang geht. Im Juli hatte Sebastian Kurz mehr als doppelt so viel Berichterstattung in der "Kronen Zeitung" wie alle Mitbewerber zusammen, hat MediaAffairs erhoben. Das heißt etwas, sagt Geschäftsführerin Maria Pernegger: "Es ist einfach die reichweitenstärkste Zeitung, wo man einen großen Teil der Bevölkerung erreicht."
Kurz-„Sommergespräch“: Platz 1 allein ist zu wenighttps://t.co/kFNHVJHAqm pic.twitter.com/0sNYCtsNFX
— Kronen Zeitung (@krone_at) September 2, 2019
Kein gutes Zeugnis für Rendi-Wagner
Claus Pandi, formal Chefredakteur der "Salzburg Krone", bestätigt, dass sein Blatt auf Kurz-Kurs ist. "Ich muss schon auch auf mich selber immer wieder aufpassen, auf kritischer Distanz zu ihm zu bleiben. Er macht es einem nicht leicht, weil man ja auch immer mit den anderen Spitzenkandidaten vergleicht." Und da schneide Kurz einfach am besten ab, so Pandi in bemerkenswerter Offenheit. Kein gutes Zeugnis stellt er auch der SPÖ aus, die sei handwerklich schwach und bringe ihre Spitzenkandidatin nicht richtig über die Bühne.
Skandal mit Cordon Bleu und Salat
Auch andere Medien arbeiten sich an Pamela Rendi-Wagner ab, die sich mit der Favoritenrolle von Kurz und ihrem virtuellen Kanzlerinnen-Anspruch schwertut. So hat "Kurier"-Chefredakteurin Martina Salomon der SPÖ-Chefin in einer ZIB2-Analyse nicht abnehmen wollen, dass sie kürzlich ein Cordon Bleu gegessen habe. Das sei völlig unglaubwürdig, so Salomon: "So wie sie ausschaut, wird sie sich höchstens von ein paar Salatblättchen ernähren." Replik von Anneliese Rohrer, der Doyenne des Innenpolitik-Journalismus mit der Erfahrung als Beobachterin von vierzehn Nationalratswahlen: "So etwas hat es noch nie gegeben. Da setzt sich jemand hin und spricht einer Spitzenpolitikerin die Glaubwürdigkeit ab. Und sagt vor Hunderttausenden Leuten im Fernsehen, ich glaub' ihr kein Wort. Und das anhand von Salat und Schnitzel?"
Martina #Salomon (CR Kurier) über Pamela Rendi-Wagner:
— Raffaela (@DieRaffa) August 26, 2019
„Jetzt hat sie sogar gesagt, sie hat ein Cordon Bleu gegessen letzten Freitag. Ich glaube ihr kein Wort.
So wie sie ausschaut wird sie sich eher nur von ein paar Salatblättchen ernähren.“#zib2 #orfsg19 pic.twitter.com/zrwkgqZufd
Schlagabtausch im Kollegenkreis
Die Kurier-Chefredakteurin ist mit der SPÖ-Vorsitzenden mittlerweile gemeinsam auf ein Cordon Bleu gegangen und sprach danach von einem "Sturm in der Salatschüssel". Salomon – die auf Twitter zuletzt selber viel einstecken hat müssen - teilt aber auch im Kollegenkreis aus. Dem "Falter"-Chefredakteur Florian Klenk hat sie in ihrem Newsletter vorgeworfen, dass er sich "meist unverblümt zur SPÖ bekennt". Was Klenk zurückweist. So wie auch den Satz von "Presse"-Chefredakteur Rainer Nowak: "Fest steht, dass die Falter-Redaktion die härteste Opposition gegen Kurz darstellt."
Klenk kritisiert Schützengraben-Journalismus
Klenk an die Adresse der Chefredakteurs-Kollegen: "Ich verstehe, dass Kolleginnen und Kollegen, die ihre Positionen unter der blau-schwarzen Regierung bekommen haben oder sich Positionen in irgendwelchen staatsnahen Medien erhoffen, uns da diskreditieren. Es ist nur nicht fair." Florian Klenk spricht von Schützengraben-Journalismus, ideologischen Zuordnungen und dass das typisch für Österreich sei. Hintergrund der Kontroverse: der "Falter" hat eine gelinde gesagt kreative Buchhaltung zur Schönung der immensen Wahlkampfkosten der ÖVP zugespielt bekommen und knapp vor dem ORF-Sommergespräch mit Sebastian Kurz veröffentlicht. Der hat sich verärgert gezeigt und gewarnt: "Die Skandalisierung haut uns die politische Landschaft zusammen."
Attacke auf ÖVP-Server als "mittelschwere Bombe "
Zwei Tage später dann eine – wie es "Presse"-Mann Nowak nannte - "mittelschwere Bombe". Die ÖVP meldete eine massive Server-Attacke, Daten seien abgesaugt worden. Ob auch Daten gefälscht wurden, dafür gibt es bisher keine Beweise. Jedenfalls hat die ÖVP den "Falter" von der Pressekonferenz, wo diese Informationen gegeben wurden, ausgesperrt.
Die Botschaft war klar: Nicht ein Maulwurf in den eigenen Reihen hat die Details aus der Buchhaltung nach außen gespielt, sondern kriminelle Hacker haben die Daten geklaut, vielleicht gefälscht, und der "Falter" ist ihnen aufgesessen. Was die Wochenzeitung, die wie der "Standard", wie Ö1 und die ZIB2 zuvor schon andere Ungereimtheiten im Gefolge der Ibiza-Affäre aufgedeckt hat, bestreitet. Die Unterlagen, aus denen man zitiert habe, seien schlüssig und sicher nicht gefälscht, so der "Falter".
ÖVP in der Opferrolle praktisch zementiert
Sebastian Kurz kann das alles nur recht sein. Er kann sich in den Fernsehauftritten bis zur Wahl in die Opferrolle begeben. Die Affären tun der ÖVP nicht weh, so Marktforscherin Maria Pernegger: "Es heißt, dass es jetzt mit Kurz bergab geht, dass er angeschlagen sei – die Schredder-Affäre, immer wieder Missgeschicke auch in der Kommunikation, Parteispenden-Affäre natürlich." Das seien schon große Themen, nur würden die in der Bevölkerung nicht so groß ankommen, sagt Pernegger. "Das sind Themen, die vor allem in einer bestimmten Blase die Gemüter erregen."
Und in die Breite, nämlich über reichweitenstarke Kanäle wie die "Kronen Zeitung", die Sebastian Kurz so wohlgesonnen ist, transportiere die ÖVP eben ganz andere, für sie positive Botschaften.