Olga Neuwirth

APA/HANS KLAUS TECHT

Uraufführung live

Olga Neuwirth, die Unruhegeistin

Olga Neuwirths "Orlando" feiert am 8. Dezember ihre Uraufführung - live in Ö1. Bereits am 30. November war die Komponistin im "Klassik-Treffpunkt" zu Gast, und am 7. Dezember steht das "Diagonal" ganz im Zeichen der vielseitigen Künstlerin.

Vielleicht haben wir uns ja einfach geirrt. Beziehungsweise: Viele haben sich jahrzehntelang geirrt. Olga Neuwirth ist gar nicht Komponistin. Olga Neuwirth ist und war immer schon Künstlerin. Um jetzt noch kurz innerhalb dieses leicht polemischen Bildes zu bleiben: Wenn man eine umfassend und häufig intermedial Konzipierende und Denkende wie eine notenschreibende Musikbeamtin versteht und behandelt, kann es sein, dass sich etwas nicht ausgeht.

View this post on Instagram

#olganeuwirth #ReiKawakubo #commedegarcons #costumes #orlando Preparations are well underway for the world premiere of Olga Neuwirth’s "Orlando", which will take place on 8 December 2019 at the Wiener Staatsoper.  We are excited to announce an extraordinary collaboration: Costumes are being designed by Rei Kawakubo, the legendary fashion designer and founder of the international fashion brand Comme des Garçons. The world premiere itself will mark the third act of the project “transformation and liberation”, inspired by Orlando: The first act will be a presentation of first ideas at Paris Fashion Week in June 2019, the second act will be a presentation of the ORLANDO collection by Comme des Garçons at Paris Fashion Week in September 2019. About Olga Neuwirth’s "Orlando": Olga Neuwirth’s music theatre opens a door into the realm of what has been simultaneously experienced, read and heard, of what is known and felt – in other words, into the realm of fiction shaped by memories. “Ever since I was a child I have been interested in everything from the arts to politics, from the sciences to architecture and human psychology (…) I have let myself be inspired by the small and big things that the world has to offer, by the wonderful diversity of life, and I see this reflected in "Orlando". For it is a love of oddities, of the paradoxical, the grotesque, virtuosity, exaltation and exaggeration that are the essence of this fictional biography, which aims to create a new morphology of a narration which is in a constant flow to create a fluid form. At all times it is also about (…) a sophisticated and highly subtle form of sexual attraction that rejects being pigeonholed in any one gender. As well as about refusing to be patronised and treated in a condescending manner – something that continually happens to women, with no end in sight”, says Olga Neuwirth.

A post shared by Hermes Ferel Herald Felinne P. (@hermes_payrhuber) on

Abenteuerlust & Vielfalt

Es ging sich über die vergangenen Jahrzehnte aber glücklicherweise erstaunlich viel aus: In einem mit "Abenteuerlust und Unangepasstheit" betitelten Text hat Dirk Wieschollek kürzlich eine aufschlussreiche Art Zwischenbilanz zu Neuwirths Schaffen zwischen Film und Performance, Musiktheater und Orchesterstück, Hörspiel und Filmmusik vorgenommen.

Es kann einem schwindlig werden ob der Vielfalt und in manchen Fällen auch der Größe und Komplexität vieler dieser Produktionen. Dabei kann man Olga Neuwirth nicht vorwerfen, nicht gleich zu Beginn gewissermaßen alles auf den Tisch gelegt zu haben: Wiener Festwochen 1991: Das erste Musiktheaterauftragswerk beruht auf Texten von Elfriede Jelinek, heißt "Körperliche Veränderungen" und nennt sich im Untertitel gleich einmal "Eine satirische Handtelleroper".

"Erstsendung des Radiomitschnittes", vermerkt das Elfriede-Jelinek-Forschungszentrum, "ORF/Ö1 im Rahmen der Reihe ‚Studio Neuer Musik‘, 27. Mai 1992". Wir haben also auch schon eine verhältnismäßig lange gemeinsame Musiktheatergeschichte.

Ironie ist ein intelligenteres Lächeln

Aus Anlass der Uraufführung des bedeutend größer angelegten Musiktheaterprojekts "Bählamms Fest" entstand dann 1999 eine Ausgabe von "Diagonal - zur Person Olga Neuwirth, Komponistin". Gleich zu Beginn stellt Wolfgang Kos zwei Fragen. "Ist Schönheit ein Ziel für Sie?" Die Antwort ist eindeutig: "Nein, der Begriff Schönheit ist mir noch nie eingefallen, wenn ich an meinen Schreibtisch gehe. Schönheit entsteht automatisch. Auch Rauheit ist Schönheit." Kos’ zweite Frage: "Humor?" Antwort: "Also Humor würde ich das überhaupt nicht nennen, wenn dann Ironie, weil Ironie ist ein intelligenteres Lächeln."

Ob das mit der Schönheit noch immer so ist wie damals, ist nach Werken wie dem Trompetenkonzert "… miramondo multiplo …" eine Nachfrage wert. Kann man das Konzert doch eine ganz, um nochmals Dirk Wieschollek zu zitieren, "persönliche Liebeserklärung an die Trompete und ihre Verheißungen nennen - ursprünglich wollte Olga Neuwirth Jazztrompeterin werden -, ein Konzert für Trompete und Orchester, das in fünf ‚Arien‘ eine imaginäre Vergangenheit bereist. Im kaleidoskopartigen Labyrinth der echten und falschen Zitate gibt sich Miles Davis ebenso die Ehre wie Händel, Mahler und Strawinsky."

"Orlando" schien nur eine Frage der Zeit

Neuwirth hat eine entscheidende Rolle in einer Oper - eben "Bählamms Fest", entstanden gemeinsam mit Elfriede Jelinek - schon mit einem Countertenor besetzt, als das noch nicht Opernmainstream war. Eine der Lieblingspersönlichkeiten der Komponistin war immer Klaus Nomi, dessen Songrepertoire sie über die Jahre mehrere Bearbeitungen widmete - ebenfalls zu singen von Countertenören. Irgendwie schien es nur eine Frage der Zeit zu sein, bis "Orlando" in Neuwirths Oeuvre auftaucht, diese Geschichte von Virginia Woolf, in der eine Figur über Jahrhunderte hinweg lebt und dabei von Mann zu Frau wird und dann doch nicht gänzlich im neuen Geschlecht aufgeht.

Das ergibt eine klassische Olga-Neuwirth-Themenpalette von Geschlechtsidentität, Liebe und dem Androgynen bis hin zur Ablehnung sozialer Normen und Erwartungen. Und das aber alles zugleich serviert mit dieser unglaublichen Selbstironie der Erzählerin. Für Anfang Dezember 2019 ist nun die Uraufführung der Oper "Orlando" von Olga Neuwirth, diesmal konzipiert mit der französisch-amerikanischen Dramatikerin Catherine Filloux, an der Wiener Staatsoper geplant.

"Diagonal" zur Person

"Diagonal" widmet diesem Ereignis, immerhin der erste Kompositionsauftrag der Wiener Staatsoper an eine Frau, eine Sendung mit dem Titel "Die Unruhegeistin - zur Person Olga Neuwirth, Komponistin" und greift dabei auch gern auf das "Diagonal"-Archiv und die vorhin schon erwähnte Sendung zurück. Da kann man unter anderem Olga Neuwirth im Gespräch mit ihrer jahrelangen Librettistin Elfriede Jelinek in einem Studio im Wiener Funkhaus hören.

Neben weiteren Ö1 Sendungen zu Olga Neuwirth und ihrem künstlerischen Schaffen ist die Komponistin am 30. November auch im "Klassik-Treffpunkt" bei Albert Hosp zu Gast.

Gestaltung

  • Christian Scheib