Szenenausschnitt "Orlando"

WIENER STAATSOPER/MICHAEL PÖHN

Wiener Staatsoper

Olga Neuwirths Oper "Orlando"

Schon vor gut 15 Jahren sollte die Komponistin Olga Neuwirth ein Werk für die Wiener Staatsoper schreiben. Der Auftrag zerschlug sich damals - wegen Differenzen um das Libretto von Elfriede Jelinek. In der Ära Dominique Meyer wurde ein völlig neuer Kompositionsauftrag an Olga Neuwirth vergeben - und diesmal hat es geklappt: Am Sonntag wurde "Orlando" an der Staatsoper uraufgeführt.

Morgenjournal | 09 12 2019 | Premierenbericht

Susanna Dal Monte

Neuwirths Oper basiert auf dem gleichnamigen Roman von Virginia Woolf. Es ist die erste abendfüllende Oper einer Frau in der Geschichte der Wiener Staatsoper. Die Kostüme stammen von einer lebenden Legende der Modewelt: Rei Kawakubo von Comme des Garcons. Ein Komponistenkollege, Matthias Pintscher, dirigiert.

It all began in 1598. The age was Elizabethan and violence was everywhere ...

Mittagsjournal | 06 12 2019 | Vorbericht

Dorothee Frank

Gewalt war überall zur Zeit von Queen Elizabeth I. Virginia Woolfs Romanfigur Orlando, ein junger Lord und Schriftsteller, wird in diese Ära, die Ära Shakespeares, hineingeboren. Als Zeitreisender durchlebt Orlando Jahrhunderte englischer Geschichte, wechselt im Spätbarock das Geschlecht und kommt als Frau im 20. Jahrhundert an.

Für Olga Neuwirth verkörpert Orlando das Androgyne - nicht nur im Hinblick auf Geschlechteridentität: "Ein Orlando ist ein Wesen, das alle aufoktroyierten Normen infrage stellt, nicht anerkennt, weder in Kunst noch im Leben, um ein Freigeist mit sprudelnder, überbordender Freiheit zu sein. Fluid Identity, der Mensch darf suchen wer er ist, und Orlando bleibt ein originelles Wesen."

"Nichts ist, was es ist"
Olga Neuwirth

"Das Androgyne, das sich entzieht, ist sozusagen im Klang. Und das war für mich seit jeher der Ausgangspunkt. Nichts ist, was es ist. Es ist alles ständig elastisch und biegbar. Es ist da und wieder weg."

Szenenausschnitt "Orlando"

WIENER STAATSOPER/MICHAEL PÖHN

Ungebremster Kapitalismus - damals wie heute

Der Operntext - nach Virginia Woolf von der Komponistin selbst und der franko-amerikanischen Autorin Catherine Filloux - dieses Libretto schreibt Orlandos Zeitreise bis in die Gegenwart fort. Olga Neuwirth zieht dabei eine Parallele zwischen dem ungebremsten Kapitalismus des 19. und dem des 21. Jahrhunderts.

"Diese Verhärtung der menschlichen Seele in der Zerstörung und Vergiftung der menschlichen Empathie zur Kälte führt für mich in das 20. und 21. Jahrhundert."

Visuelle Materialschlacht

Olga Neuwirths Orlando - mit Kate Lindsay in der Titelrolle - ist ein Arsenal von Zitaten und Anspielungen, Klangfarben und Klanggesten. Sechs hohe bewegliche Videopaneele formen das in die Tiefe gestaffelte Bühnenbild. Von stürzendem Polareis über Schützengräben bis zum Bilderflimmern der sozialen Medien ereignet sich auf den Screens eine visuelle Materialschlacht der Sonderklasse.

Dazu die überzeichneten Kostümsilhouetten der Comme-des-Garcons-Designerin Rei Kawakubo. Für die Ausführenden an der Staatsoper war dieses komplex zu produzierende Welttheater eine enorme Herausforderung. Inwieweit es seinem eigenen Anspruch gemäß innovativ und visionär wirkt - das wird die Uraufführung zeigen.

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