Ein Uhr die "Fünf nach Zwölf" anzeigt

APA/HERBERT PFARRHOFER

Klima-Berichterstattung

Von Kassandras und Umweltsäuen

Die ungleichen neuen Regierungspartner ÖVP und Grüne stehen vor großen Herausforderungen - und mit ihnen die Medien. Die werden nämlich in den kommenden Monaten und Jahren so geballt wie noch nie mit dem Klima-Thema konfrontiert sein, und die Frage ist: Werden sie dem auch gewachsen sein? Für die Berichterstattung über dieses hochkomplexe Thema gelten nämlich eigene Regeln.

Das hat zuletzt der öffentlich-rechtliche WDR in Deutschland schmerzlich erfahren müssen. Da wurde von einem Kinderchor eine satirisch umgetextete Version von "Meine Oma fährt im Hühnerstall Motorrad" auf Sendung vorgetragen. Der Refrain "Meine Oma ist ne alte Umweltsau" sollte auf humorvolle Art den Generationenkonflikt in der Klimafrage thematisieren, hat aber Politiker und Publikum auf die Palme gebracht. Der CDU-Ministerpräsident empörte sich, der Programmchef stellte sich in einer Radio-Sondersendung den Fragen aufgebrachter Hörer, der WDR-Intendant entschuldigte sich. Rechte Demonstranten marschierten auf, ja sogar Morddrohungen gegen Mitarbeiter des Senders gab es.

Die Polarisierung hat einen Namen

Ein exemplarisches Beispiel dafür, wie sehr das Klima-Thema polarisiert. Zwischen links und rechts, zwischen Jung und Alt, zwischen Öko-Fundis und Klimawandel-Leugnern. Personifiziert wird dieser Graben durch Greta Thunberg, für die einen ist die schwedische Aktivistin ein Idol, für die anderen die düstere Kassandra, die durch die Welt zieht und den Untergang verkündet. Der schwedische Fernsehjournalist Calle Elfström meint am Rande des Klimagipfels in Madrid: Es sei schon zu viel. "Greta macht den Jungen Angst." Seine Landsmännin Thunberg hat ja "Fridays for Future" begründet, und andere Vertreterinnen dieser Klima-Bewegung denken oft schon weiter.

Für jedes negative Beispiel drei positive

"Wir haben Good News for Future eingeführt, wo wir auch Positives kommunizieren, damit nicht immer nur die schlechten Nachrichten rübergebracht werden", sagt die Gymnasiastin Annika Dafert von "Fridays for Future" in Salzburg. Sie und ihre Mitstreiter sind im Netz auf Social Media zuhause und wissen um die Wichtigkeit von Zielgruppenarbeit in der politischen Kommunikation. Gerade beim Klima-Thema müsse man die Botschaften gut auswählen, sagt Dafert. Die Psychologin Isabella Uhl-Hädicke stimmt ihr zu und nennt eine Faustregel für die Akzeptanz: "Für jedes negative Beispiel soll man drei positive Beispiele bringen, Dinge die Hoffnung geben." Der Fachausdruck ist "Co-Benefits", dass etwa umweltbewusst Essen auch gesund für den Körper ist.

In den Politik-Ressorts angekommen

Bei aller Achtsamkeit und Aufklärung dürfe man freilich auf die politische Botschaft nicht vergessen. "Da geht es um knallharte Klientelpolitik, um Ressourcenverteilung und politische Einflussnahme", sagt Hanna Simons von der Umweltorganisation WWF. Sie sagt, dass die Klimaberichterstattung jetzt in den Politik-Redaktionen angekommen sei, wo sie auch hingehöre. Adam Pawloff von Greenpeace sieht das genauso: "Die Menschen können das allein durch Verhaltensänderung nicht schaffen, da muss die Politik eingreifen." Und diese Verantwortung müssten die Medien einfordern.

"Krone" auf Kurs, auch wenn es zwickt

Die "Kronen Zeitung" ist Österreichs mit Abstand größte Tageszeitung, sie fährt seit einem guten halben Jahr eine Kampagne für den Klimaschutz, die sogar im eigenen Haus manchen zu weit gehe, wie Chefredakteur Klaus Herrmann zugibt. Doch das sei eine ganz wichtige Mission: "Umweltschutz liegt in der DNA der Krone. Das ist eine ganz wichtige Mission für uns." Von mancher Seite wird dem Blatt Wohlfühl-Klimaberichterstattung vorgehalten, etwa mit dem Plastiksackerl-Thema, das weit an der Problematik vorbeigehe. Frage an Herrmann: Wie wird die "Krone" reagieren, wenn dann die harten Maßnahmen kommen? Der Chefredakteur antwortet überraschend offen: "Es wird auch wehtun. Das muss jedem Realisten klar sein, dass Klimaschutz auch zwicken muss. Und dieses Zwicken muss man den Menschen verständlich machen."

Keine mediale Bühne für Klimaleugner

Die Politik, die Klima-Maßnahmen umsetzen will, kann froh sein, die "Krone" nicht gegen sich zu haben. Denn immer noch gibt es genügend Klima-Leugner, die Leute suchen sich ihre Wahrheiten irgendwie zusammen. Viele Medien bieten dieser Gruppe keine Bühne mehr, darunter der ORF. Aber es gibt selbst unter den öffentlich-rechtlichen Sendern Ausnahmen: Beim WDR, der zum ARD-Senderverbund in Deutschland gehört, läuft zum Beispiel das Talk-Format "Hart, aber fair" mit Frank Plasberg.

Und der lädt schon einmal Vertreter von "Fridays for Hubraum" ein, das ist eine in Deutschland erstaunlich gut unterstützte Facebook-Initiative, die sich als Kontrapunkt zu Greta Thunberg & Co. sieht. Bei der britischen BBC hingegen gibt es ganz klare Direktiven: Keine Auftritte von Klima-Leugnern nach dem Motto: Man lade ja auch niemanden ins Studio ein, der behauptet, Manchester United habe am Wochenende nicht 2:0 gewonnen - obwohl das Ergebnis klar auf dem Tisch liegt.

"Magischer Zeitpunkt" für Klima-Stories

Es ist auch ohne die Leugner des menschengemachten Klimawandels schwierig genug, über das Thema zu berichten, meint Benedikt Narodoslawsky von der Wochenzeitung "Falter". Wie soll man die Leser mit trockenen Gutachten und ähnlichem Stoff fesseln? "Es bleibt immer extrem fad, man muss sich extrem bemühen, das Thema lebendig zu machen. Sonst blättert der Leser nach drei Zeilen um." Was Narodoslawsky zuversichtlich stimmt: Seit einem Jahr, mit dem Aufkommen von "Fridays", sei das Thema heiß - und das Interesse an seinen Geschichten auch redaktionsintern viel größer. Ein "magischer Zeitpunkt" sei da gekommen.

Klimaressorts sollten Lösungen aufzeigen

Die Klimakrise sei eine schleichende Bedrohung, die journalistisch schwer zu greifen ist, anders als etwa ein Terrorangriff oder ein Flugzeugabsturz, sagt der "Falter"-Mann. Die Verknüpfung von Ursache und Wirkung beim Klima ist für den Normalbürger sehr schwer fassbar, so formuliert es Carel Mohn - er ist Chefredakteur der Plattform "klimafakten.de", die es seit 2011 gibt, sie wird von zwei Stiftungen finanziert. Umso höher seien die Anforderungen an die Journalisten, so Mohn: "Wir sollten darüber nachdenken, in den Redaktionen Klimaressorts einzurichten."

Und der Chef der Klimafakten-Plattform spricht noch einen Punkt an: "Man muss vermitteln, wie Lösungen aussehen könnten, was die mit dem Leben der Menschen zu tun haben. Das muss man anschaulich machen." Sprich: Klimafakten sind entscheidend, aber mit Fakten allein ist es nicht getan.

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