APA/HANS PUNZ
Corona und Medien
Mit der Pandemie kam die Infodemie
Journalismus in Krisenzeiten verlange das Kunststück der Paradoxie-Bewältigung, sagt der renommierte Medienexperte Bernhard Pörksen von der Universität Tübingen. Es gelte zu erklären und einzuordnen, was sich noch gar nicht richtig erklären und einordnen lasse. Das sei umso wichtiger, weil sich gerade ein Strom von Informationen unterschiedlichster Güte über uns ergieße. Pörksen spricht von "Infodemie".
8. Juni 2020, 02:00
Es sei schwierig, kritische Distanz zu wahren, wenn man als Journalist selbst gerade unter dem Eindruck der Ereignisse oder der eigenen Angst stehe, räumt Pörksen im Interview mit #doublecheck ein.
Aber: Journalismus sei jetzt wichtiger denn je, die Pandemie schreie nach Einordnung. "Wir erleben ja nicht nur die Virus-Pandemie, sondern auch eine Infodemie. Informationen von völlig unterschiedlicher Qualität und Herkunft fließen auf einem Kommunikationskanal zusammen. Seriöse Nachrichten, bizarre Verschwörungstheorien, bemühte Schönfärbereien. Alles gleichzeitig."
Die Grenzen der Medienmündigkeit
Wer professionell recherchiere und Relevanz von Informationen einschätzen könne, der sei in so einer Phase ganz besonders gefordert – und wichtig für das Miteinander, so Pörksen. Er hat ja den Begriff der "redaktionellen Gesellschaft" geprägt, die sei das Ergebnis der neuen Möglichkeiten, die die Sozialen Medien für die Einzelnen schaffen.
Doch die "Infodemie" zeige die Grenzen auf, so Pörksen. Mehr Information mache nicht automatisch mündiger, sondern erhöhe die Chancen für effektive Desinformation. "Man greift in dem herumwirbelnden Info-Konfetti auf der Suche nach Orientierung auf das zurück, was man ohnehin glaubt – oder glauben möchte."
Fragen stellen, die sie nicht gern hören
Die größte Herausforderung für Journalisten sei derzeit, "auf möglichst verantwortungsvolle Weise mit Ungewissheit umzugehen", sagt der Medienwissenschafter. Der Journalismus habe in der Situation die Aufgabe, "ohne mit rauchendem Colt am Rande des Spielfelds zu stehen, ganz schwierige Fragen zu stellen, die in der Politik vielleicht nicht so gerne gestellt und nicht so gerne gehört werden".
Politik und Medien am Ende in einem Boot
Denn am Ende, so Bernhard Pörksen, säßen Politik und Medien im selben Boot. Angenommen, die aktuellen Maßnahmen würden sich im Nachhinein als unverhältnismäßig erweisen: Dann drohe auch den Medien ein Vertrauensverlust, "gegen den sich die Kritik an der Berichterstattung in der Flüchtlingskrise wie ein höfliches Zuzwinkern ausnehmen wird", warnt Pörksen.