Adidas-Sneaker mit "RIP JMJ"

AFP/MATT CAMPBELL

The adidas Archive

Drei Streifen für die Popkultur

"The adidas Archive" heißt ein neues Buch aus dem Taschen-Verlag und wie man es von Taschen gewohnt ist, ist auch dieses Werk der Inbegriff eines Wälzers. 650 Seiten dick bringt dieses ultimative Referenzwerk gut fünf Kilo auf die Waage. Es geht hier aber nicht nur um Schuhdesign, sondern auch um die berühmten drei Streifen als Emblem und Projektionsfläche in der Popkultur.

Die New Yorker Hip-Hop-Crew Run DMC waren die Pioniere dieser Verquickung. Ihr Song "My Adidas" brachte der Band 1986 einen lukrativen Deal. Seither versuchten sich unter anderem Madonna, Pharrell Williams oder Kanye West als Schuhmacher.

1986, als der Sneaker noch Turnschuh hieß, machte eine Szene deutlich welches rebellische Potenzial in einem Paar Schuhe stecken konnte. Joschka Fischers Angelobung zum ersten grünen Minister Deutschlands wird für immer mit seinem Auftritt in Sneakers verbunden sein. Ein Schuh als Symbol für die Unangepasstheit einer Partei.

Markenbotschafter aus Leidenschaft

Joschka Fischer trug Nike und noch ahnte niemand im bayrischen Herzogenaurach, dass 6.400 Kilometer entfernt in Hollis, Queens, drei Rapper drauf und dran waren, den Turnschuh als jugendkulturelles Abzeichen neu zu interpretieren. "Sie nahmen, was sie finden konnten und sie fanden einen Weg, ihre Sneakers zur Schau stellen", erinnert sich Bill Adler, der für die Presse von Run DMC zuständig war. "So nannten sie das: zur Schau stellen. Sie stellten ihre Schuhe auf einzigartige Weise aus." Joseph "Run" Simmons, Darryl "D.M.C." McDaniels und Jason "Jam Master Jay" Mizell brachten den Look der Straße auf Plattencover, ins Musikfernsehen und von dort aus in die ganze Welt.

"Der Basketballschuh Superstar war im amerikanischen Mark weit verbreiteter als in Europa", sagt Sandra Trapp von adidas. "Diesen Trend, der von Run DMC ausgelöst wurde und nach Deutschland übergeschwappt ist, hat man gern aufgenommen." Trapp ist dort für das institutionalisierte Geschichtsbewusstsein verantwortlich, History Management heißt ihre Abteilung. Trapp ist eine Herrin des Archivs, sie hat Zugang zu den handsignierten Modellen der Superstars.

20.000 Paar Sneakers im Madison Square Garden

Gezackte Streifen, Zehenkappen aus Gummi, Obermaterial Leder und Gummisohle - der Superstar war ein Allrounder. "Wenn man sich die Sportbewegungen der 70er und 80er ansieht, bemerkt man, dass der Alltagsathlet immer stärker in den Fokus gerückt ist. Da ist dann der Sprung zu Kultur und Musik nicht mehr weit." "My Adidas" war eine pure Liebeserklärung ohne kommerziellen Hintergedanken, erinnert sich Bill Adler. Zwei Millionen Dollar überwies adidas 1986 an Run DMC.

Es war die erste Partnerschaft des Schuhfabrikanten außerhalb des Sports. Im Vorfeld des Deals überzeugte ein ausverkauftes Konzert im New Yorker Madison Square Garden die angereisten adidas Vertreter. "Run stand auf der Bühne und sagte: ‚Wenn ihr alle eure Adidas dabeihabt, dann lasst sie mich sehen.‘ Plötzlich springen 20.000 Kids im Madison Square Garden auf und schwenken ihre Adidas", erinnert sich Bill Adler.

Vintage-Schuhe im Sneakers-Weinkeller

Gleichzeitig war Hip-Hop für viele ein Symbol des Verfalls der Gesellschaft. Run DMC trugen ihre Sneakers ohne Senkel, so wie Gefängnisinsassen. Und: teure Turnschuhe galten als Gangstermode, in den Augen vieler bevorzugt von Dealern getragen und über Hip-Hop and die junge Käuferschicht vermittelt. Der Song "Felon Sneakers" von 929 appellierte an die schwarzen Kids durch einen falschen Schuhkauf nicht zum Gangstertum verführt zu werden.

2012 wurde in Herzogenaurach ein professionelles Archiv gebaut. 7.000 Paar Schuhe fanden dort eine optimale neue Heimat. Die Rahmenbedingungen für ihre Lagerung erinnern an die Spezifitäten eines Weinkellers. "Wir haben dort 55 Prozent Luftfeuchtigkeit, 18 Grad Durchschnittstemperatur auf knapp 300 Quadratmetern. Dort befinden sich unter professionellen Bedingungen alle unsere Schätze", gewährt Sandra Trapp einen Einblick ins Allerheiligste.

Run DMC, American singers Joseph Ward Simmons, Run und Darryl Matthews McDaniels, DMC

AP/KEYSTONE/ANDREE-NOELLE POT

Sneakers als Türöffner der Hip-Hop-Kultur

Im Buch geht der Bereich Pop nahtlos in den von Streetwear und Design über. Musikkultur spielt auch bei Sandra Trapps aktuellem Favoriten im Sortiment eine Rolle. Ein Superstar-Modell mit Festival-Erfahrung. "Es sind Unterschriften von Künstlern von Festivals mit drauf. Die Innensohle wurde getapt und fällt hinten auseinander. Man kann die Herringbone-Sohle des Schuhs nicht mehr erkennen. Dieser Schuh wurde geliebt, richtig geliebt." Nicht zuletzt durch ihren Auftritt beim Live-Aid Festival 1985 wurden Run DMC zu den ersten Stil-Ikonen des Hip-Hop, zu globalen Trendsettern die Street Wear populär machten.

"Hip-Hop revolutionierte die Mode weltweit. Hip-Hop zeigte der ganzen Welt ein völlig neues Universum afro-amerikanischer Jugendkultur." Kooperationen mit Pharrell Williams, den Red Hot Chili Peppers, New Order, Noel Gallagher, Snoop Dogg oder Beyonce illustrieren, dass Sneakers längst zum Design-Lustobjekt avancierten. Ein Blick in die Fußgängerzonen dieser Welt genügt, um ihren Siegeszug anschaulich zu machen.

Service

"The adidas Archive - The Footwear Collection", Deutsch, Englisch, Französisch, Taschen

Gestaltung

Übersicht