Männer in Anzügen tragen Laptoptaschen

AP/CQARC

ÖVP-Kommunikation

Im Furor der fehlerhaften Fakten

Nach der Hausdurchsuchung der Korruptionsermittler beim amtierenden Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) zieht die Kanzlerpartei alle propagandistischen Register. Von einem Offenen Brief, den der Bundeskanzler quasi als einfacher Bürger an die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft geschickt hat, um sich über "fehlerhafte Fakten" zu beschweren, über Serien-Pressekonferenzen mit den immer gleichen Botschaften bis hin zu medialen Ablenkungsmanövern inklusive fehlerhafter Informationen durch Verantwortliche der ÖVP - bis hin zu Regierungsmitgliedern.

Sebastian Kurz war dermaßen Speerspitze bei den Angriffen auf die WKStA, dass der "Kurier" schon über Unmut in den schwarzen Landesorganisationen spekuliert hat: Da und dort werde über eine zu schwache Besetzung des ÖVP-Generalsekretariats gelästert. Das führt der Kurz-Vertraute Axel Melchior, der nebenbei auch Mediensprecher der Partei ist, aber praktisch keine Außenwirkung hat. Gerade das wäre aber die Aufgabe des Generalsekretärs, der müsse der Mann fürs Grobe sein, nicht der Parteichef und Kanzler, so die traditionelle Job-Description.

Der vermeintlich subtile Kanzlerbrief

Kurz hat nach den groben Pflöcken, die im ersten Furor nach der Hausdurchsuchung bei Blümel eingeschlagen worden sind, vermeintlich subtiler agiert: Er hat der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft einen Brief geschrieben, in dem er seine Aussage angeboten hat, um "falsche Vorwürfe" und "fehlerhafte Fakten" aufzuklären. Selbstverständlich wolle er sich nicht in die laufenden Ermittlungen einmischen, schrieb der Kanzler in dem Brief, der natürlich als Einmischung verstanden worden ist und viel Kritik hervorgerufen hat.

Das Framing mit der Namensverwechslung

Kurz hat auch Kontakt zu Journalisten gesucht, um seine Sicht der Korruptionsermittlungen darzulegen. Und die ist im Kern: alles ein großes Missverständnis, an den Vorwürfen sei nichts dran, die WKStA habe schlampig gearbeitet. Der Anker war eine Namensgleichheit, auf die die Ermittler selbst hingewiesen haben – die Schwiegertochter von Novomatic-Gründer Johann Graf heißt Martina Kurz, sie reklamierte einen Kalendereintrag lautend auf "Kurz" eidesstattlich für sich. Nicht der Kanzler, sondern sie habe den Termin bei ihrem Schwiegervater gehabt.

Pressekonferenzen Marke Kartenhaus

Es war an ÖVP-Klubobmann August Wöginger, das medial zu verwerten. Eine kurzfristig einberufene Pressekonferenz, die Namensverwechslung wurde zum Faktum erklärt, die WKStA zu einer Richtigstellung aufgefordert. Denn die Vorwürfe, so Wöginger, seien "wie ein Kartenhaus zusammengebrochen". Am nächsten Tag das gleiche Schauspiel bei einer kurzfristig einberufenen Pressekonferenz von Kanzleramtsministerin Karoline Edtstadler, die Wögingers Vorwürfe eins zu eins wiederholte. Was die Journalistin Petja Mladenova von der "Austria Presse Agentur" die nicht alltägliche Frage stellen ließ: "Sie haben eine Pressekonferenz einberufen und nichts Neues zu sagen gehabt. Worauf wollen Sie eigentlich hinaus mit dem Auftritt?" Rhetorische Frage.

Die hohe Krisen-PR-Kunst der Ablenkung

Zuletzt hat sich Sebastian Kurz wieder der Chefsache Corona-Impfung zugewandt, die ja noch nicht so gut läuft. Da braucht es genauso Ablenkung wie von den Ermittlungen gegen amtierende und frühere ÖVP-Minister – eine klassische Waffe der Polit-Krisen-PR, wie die Sprecherin des früheren ÖVP-Kanzlers Wolfgang Schüssel und Kommunikationsberaterin Heidi Glück kürzlich in einem Talk auf "derstandard.at" betont hat. Eine wolkige Impfstoff-Allianz mit Israel gehört da ebenso dazu wie Dauer-Kritik an der Europäischen Arzneimittelbehörde EMA, die bei der Zulassung zu langsam sei.

Falsches Spiel mit falscher Information

In diesem Punkt sind Ende Februar gleich drei ÖVP-Regierungsmitglieder dem Kanzler zur Seite gesprungen und haben die EMA kritisiert, weil sie den US-Impfstoff von Johnson & Johnson – für Kurz wieder einmal ein "Gamechanger", weil eine Impfdosis pro Person genügt - immer noch nicht zugelassen hat. Die EU-Behörde wird am 11. März darüber beraten, das steht mittlerweile fest. In Großbritannien werde der Stoff bereits eingesetzt, haben Europaministerin Karoline Edtstadler, Außenminister Alexander Schallenberg und Verteidigungsministerin Klaudia Tanner vor zwei Wochen öffentlich behauptet. Es war nur falsch, damals schon, wie das Online-Magazin "Zackzack" recherchiert hatte.

Drei MinisterInnen und keine Richtigstellung

Und es ist immer noch falsch, wie #doublecheck von der britischen Zulassungsbehörde MHRA diese Woche bestätigt worden ist. In London läuft wie in Brüssel erst das Zulassungsverfahren. "There is no approval yet", war die Auskunft der MHRA am Mittwoch. Im Büro Edtstadler hieß es auf Anfrage, diese Falschinformation sei der Ministerin einfach passiert und keine Absicht gewesen. Die Sprecherin von Außenminister Schallenberg konnte oder wollte es nicht erklären. Der Sprecher von Verteidigungsministerin Tanner räumte gegenüber #doublecheck dann ein: Das sei eine konzertierte Aktion der ÖVP-Kommunikation gewesen, wie es immer wieder passiert – also dass mehrere Vertreter der Partei ein Thema aufgreifen, um Druck zu machen. Nur diesmal eben hochrangig auf Ministerebene - und anhand einer nie richtiggestellten Falschmeldung.

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