Ethiopisches Dorf mit Bäumen inmitten von ockerfarbenen Feldern

JEREMY SEIFERT, "The Church Forests of Ethiopia"

"Erde ohne Boden"

Architektur.Film.Sommer im MQ

Unverbauter Boden wird immer knapper - dabei spielen gerade unregulierte Grünflächen wie Wälder, Wiesen und Ufergebiete in der Abfederung von klimabedingten Wetterextremen eine große Rolle. Dieses Thema wird auch in der Architektur, in der Städte- und Raumplanung diskutiert; und es ist Thema des heurigen Architektur.Film.Sommers mit dem Titel "Erde ohne Boden - worauf bauen wir morgen?" des Architekturzentrum Wien (Az W) und der Architekturplattform Wonderland. Jeden Mittwochabend im August findet das Freiluftfestival im Hof des Wiener MuseumQuartiers statt.

Architektur ist nicht nur ein Produkt, sondern ein Prozess, ein System; was wofür und wie gebaut wird, ob in die Umwelt eingegriffen wird, welche Arbeits- und Lebensbedingungen geschaffen werden. In diesem Gefüge hat Boden eine zentrale Bedeutung, sagt Marlene Rutzendorfer, die das Programm des Architektur.Film.Sommers gemeinsam mit Lene Benz vom Az W kuratiert hat: "Mit unserem Filmprogramm setzen wir Themen wie Abbau, Bodenversiegelung, Boden als Habitat und Organismus, aber auch Kontaminierung und den Umgang mit Ressourcen wie Wasser, Wald und Landwirtschaftsflächen in einen internationalen Kontext."

... über eine Gesellschaft im Klimanotstand.

Mann navigiert zwei Bagger beim Bergbau

Filmstill aus "Il Capo"

YURI ANCARANI

Stimmen der nächsten Architektengeneration

Zusammengestellt wurde das Programm aus thematisch relevanten Dokumentarfilmen, Kurzfilmen ebenso wie abendfüllende Produktionen, sowie aus Einreichungen auf einen Open Call, aus dem sich heuer eine Kooperation mit der Technischen Universität Wien ergeben hat.

"Wir haben uns aufgrund der Qualität der von den Studierenden eingereichten Filme entschlossen, jeden unserer Filmabende mit deren Kurzfilmen zu derzeitigen oder ehemaligen Anbauflächen in Wien einzuleiten, weil wir das einen sehr schönen Bezug finden zu der Stadt, in der das Festival stattfindet. Außerdem ist uns wichtig, diese Stimmen der nächsten Generation innerhalb der Architektur zu teilen und zu verstärken."

Fallbeispiel: Hambacher Forst

Jeder der vier Filmabende steht unter einem anderen Motto - "Wasser ist Leben", "Rurale Urbanitäten" oder "Habitat: Wald". Für den Eröffnungsfilm "Die rote Linie" hat Regisseurin Karin de Miguel Wessendorf über Jahre Aktivisten und Anrainerinnen des Hambacher Forsts in Nordrhein-Westfalen begleitet, die sich - erfolgreich - gegen den Braunkohletagbau und die Vernichtung des Waldes und angrenzender Dörfer zur Wehr setzen.

Filmstill aus „Die Rote Linie – Widerstand im Hambacher Forst“

"Die rote Linie - Widerstand im Hambacher Forst"

KARIN DE MIQUEL WESSENDORF

Nicht zuletzt die verheerenden Überschwemmungen in diesem Bundesland haben vorgeführt, wie wichtig der Erhalt natürlicher Ökosysteme ist. "Dieser Hambacher Tagebau ist die größte CO2-Quelle Europas", sagt Kuratorin Marlene Rutzendorfer. "Statt die lebensnotwendige Qualität des angrenzenden Waldes anzuerkennen, werden Ressourcen und öffentliche Gelder dafür verwendet, dieses Habitat, den Wald, aber auch jahrhundertealte Dorfstrukturen, zu zerstören."

Gelbe Hauswand, geschlossenes Geschäft, schief hängender Postkasten

"Rettet das Dorf"

NGF

An vorderster Front

Mit Formen zivilen Ungehorsams im Zeichen des Klima-Aktivismus beschäftigt sich der österreichische Künstler und Filmemacher Oliver Ressler. Dieser Tage ist Oliver Ressler in Deutschland, um an mehreren Projekten zu arbeiten - unter anderem im seit Jahren besetzten Hambacher Forst und in einem Klimacamp im norddeutschen Brunsbüttel, wo Aktivistinnen den Nord-Ostsee-Kanal mit Kanus blockiert haben. Außerdem bereitet er für den Freiraum im MuseumsQuartier Wien eine Ausstellung mit dem Titel Overground Resistance vor mit Arbeiten von Künstlern, die sich als Teil der Klimagerechtigkeitsbewegung verstehen.

Filmstill aus „Everything's coming together while everything's falling apart: The ZAD“ © Oliver Ressler

"Everything's coming together while everything's falling apart: The ZAD"

OLIVER RESSLER

Für seinen sechsteiligen Filmzyklus "Everything Comes Together While Everything Is Falling Apart" hat er unter anderem das EU-weit größte besetzte Gebiet ZAD in Westfrankreich besucht, wo - durch den Zusammenschluss von Aktivist/innen und örtlichen Landwirten - ein Neubau des Flughafens Nantes gestoppt wurde. Regelmäßig gibt es behördliche Versuche, das besetzte Gelände zu räumen. "Bisher ist es noch nie gelungen", so der Filmemacher, "also es ist gelungen, Teile des Gebietes abzuspalten, es ist gelungen, zahlreiche Häuser und soziale Einrichtungen zu zerstören. Aber das ZAD an sich ist nicht zu zerstören, weil die Aktivistinnen sehr geschickt schaffen, Solidarität mit den Anrainerinnen herzustellen."

Bauen als Widerstand

Oliver Resslers Film "Everything Comes Together While Everything Is Falling Apart - The ZAD" wird am Mittwoch, 11. August, beim Architektur.Film.Sommer gezeigt. Ein Protagonist erklärt darin die Verteidigungsstrategie der Besetzer und Aktivistinnen: "Wir verteidigen uns, in dem wir bauen. Die Leute haben neue Kabinen aufgestellt und Gärten und Bauernhöfe eingerichtet. Einfach was schaffen, arbeiten. Selbst wenn alles irgendwann zerstört werden sollte."

Menschen bei einer Filmvorführung im Hof des MQ

PABLO LEIVA

Service

Az W - Architektur.Film.Sommer 2021. Der Eintrit ist frei, Anmeldung erforderlich
Wonderland
Oliver Ressler
Die Ausstellung "Overground Resistance" wird am 25. August 2021 im MQ-Freiraum in Wien eröffnet.

Gestaltung

  • Anna Soucek