Bibiza

Bibiza - OLIVER TOPF

Österreichs Musiktalente

Michel's Sound Of Music 2022

Michael Kiwanuka, Celeste oder auch Adele - sie alle führten einst die prestigeträchtige BBC "Sound of …"-Liste an. Seit über 20 Jahren kuratiert der älteste öffentliche Sender der Welt eine Selektion von Musiktalenten, die im kommenden Jahr den Durchbruch schaffen könnten. Michel Attia kompiliert eine ähnliche Liste für Österreich, erst seit einem Jahr und als Ein-Mann-Show.

Angefacht vom Interesse an österreichischer Popmusik entwickelt sich Attias Rolle als Vorkoster und Förderer rasant. Und darf man Attia glauben, dann steht uns ein höchst abwechslungsreiches Musikjahr bevor.

"Das Einzige, das ich dir verschweige, sind andere Frauen und Kokain" - Apollo Sissi heißt dieser 23-jährige Oberösterreicher mit dem offenherzigen Bekenntnis. Er steht auf Platz acht in Michel Attias Liste der Hoffnungsvollen für 2022. Sein Album "Shady & schön" soll im kommenden Mai erscheinen.

Attia bewertet seine Empfehlungen entlang mehrerer Dimensionen. Zwar geht es natürlich um Talent und einen Sound, der aufregend klingt. Um aber tatsächlich eine Chance auf den Durchbruch zu haben, benötigt es mehr. "Wie sieht das Marketing-Set-up rundherum aus? Wer managt den Act? Ich sage es so: Ich hätte Apollo Sissi wahrscheinlich nicht auf der Liste, wenn sich nicht der Manager von Bilderbuch um ihn kümmern würde."

Die Pandemie als Pop-Booster

Seit über 20 Jahren bucht Attia für FM4 Bands. Er kennt auch die Gepflogenheiten in Deutschland. Natürlich prägte die Pandemie auch 2021 die Karrierepfade junger Musikerinnen und Musiker. Doch Corona hat auch nicht nur bremsende Wirkung. "Der wunderbare Indiemusiker Oskar Haag hat etwa während und durch Corona daheim damit begonnen, Songs zu schreiben und überhaupt Gitarre zu lernen. Angeblich. Ich kann es noch immer nicht ganz glauben", wundert sich Attia. "Das wird jedenfalls kommen: neue Acts, die aus Langeweile oder anderen Gründen damit beginnen, Musik zu machen."

Haag verzauberte schon beim Wiener Popfest seine Hörerschaft. Der Sohn des Naked-Lunch-Sängers Oliver Welter rangiert auf Platz fünf von Attias Liste. Zehn Managements haben sich bereits bei Attia gemeldet, um Kontakt mit dem 16-Jährigen aufzunehmen.

Österreichs Groove ist jung, weiblich und deutschsprachig

Dabei ist Haag eine Ausnahme, denn der Sound of 2022 aus Österreich ist jung, weiblich und deutschsprachig. "Früher oder später greifen Trends von Deutschland aus auch in Österreich", beobachtet Attia. "Die dortigen Charts sind sehr deutschsprachig und diese Tendenz schwappt immer mehr auch nach Österreich herüber."

Eine, die alle drei Kriterien erfüllt ist die Sängerin Eli Preiss, die mit ihrem Mix aus Hip-Hop und R'n'B auf Rang drei landet. Preiss sang zwar einst auf Englisch, mittlerweile fließen ihre Reime in der Muttersprache.

Seine erste Liste erstellte Michel Attia nachdem er aus der Karenz in seinen Beruf zurückgekehrt ist. Um wieder auf dem neuesten Stand zu sein hörte er sich um, ging auf Konzerte, sprach mit Labelvertretern und Musikern. Was als professionell orchestrierter Berufswiedereinstieg gedacht war, entwickelte dann schnell ein Eigenleben.

Bibiza auf dem Thron

Auch Platz zwei geht an eine Frau, wenn auch musikalisch völlig anders verkabelt als Eli Preiss. Esther Graf macht reinen Pop. "Unverschämt fast schon, wie vordergründig naiv das klingt", sagt Attia. Bubblegum-Pop im besten Sinn, dem Michel Attia Großes prophezeit.

Trotz weiblicher Dominanz steht ein Sänger auf Platz eins. 16 Singles hat Franz Bibiza alias Bibiza schon veröffentlicht, vor kurzem hat der 22-Jährige einen Vertrag mit einem großen deutschen Label abgeschlossen. Bibiza verschmilzt Indie-Pop mit Hip-Hop. "Es wird 2022 keinen heißeren Newcomer aus Österreich geben", ist Michel Attia überzeugt.

"Vor zehn, zwanzig Jahren war es mir in meinem Segment, Alternative Mainstream, noch halbwegs möglich, einen Überblick zu bekommen. Das ist fast nicht mehr möglich, weil jeder und jede einfach Musik online stellen kann", konstatiert Attia. Er sieht sich selbst auch als Kurator, als Seismograf, der feinfühlig auf Schwingungen reagiert und sie anderen näherbringt.

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