Barbara Petritsch und Johannes Zirner

SUSANNE HASSLER-SMITH

Christian Kracht

"Eurotrash" am Akademietheater

Mit dem Debütroman "Faserland" gelang dem Schweizer Autor und Journalist Christian Kracht, Jahrgang 1966, Mitte der 90er Jahre der literarische Durchbruch. Mit dem Roman "Eurotrash" knüpfte er im Vorjahr an diesen Erfolg an; manche lasen das Buch über einen Roadtrip von Mutter und Sohn durch die Schweiz, als Fortsetzung von "Faserland".

Mit "Eurotrash" war Kracht auf der Shortlist des Leipziger Buchpreises, auf jener für den Deutschen und den Schweizer Buchpreis. Jetzt kommt der flapsige Roman, voller Zitate und kulturpolitischer Anspielungen als Zweipersonenstück auf die Bühne des Wiener Akademietheaters.

"Das muss auf die Bühne",
Barbara Petritsch

Barbara Petritsch

SUSANNE HASSLER-SMITH

Christian Kracht polarisiert. Man liebt ihn oder man hasst ihn, oder man kennt ihn nicht. "Ich hab das Buch 'Eurotrash' zu Weihnachten geschenkt bekommen, gelesen und sofort gedacht: Das muss auf die Bühne", sagt die Schauspielerin Barbara Petritsch, die in der von Itay Tiran inszenierten Produktion die Mutter spielt.

Die Idee, den Roman auf die Bühne zu bringen, hatte man freilich im Vorjahr auch schon an der Berliner Schaubühne, wo Joachim Meyerhoff und Angela Winkler das Mutter-Sohn-Paar spielten.

"Komik, Tiefgang, Traurigkeit"

Im Akademietheater gibt Johannes Zirner den nach dem Autor Christian benannten Sohn. Er hat in seiner Jugend "Faserland" gelesen: "Heute versteh ich das besser. 'Faserland' ist ein Buch und Kracht ein Autor, den man nicht notgedrungen im jugendlichen Alter verstehen kann, obwohl er da über das Erwachsenwerden schreibt. Aber jetzt, mit dem Abstand, hab ich das noch einmal ganz anders gelesen und verstanden. 'Eurotrash' ist eine sehr schöne poetische Mutter-Sohn-Geschichte, mit Komik und Tiefgang und Traurigkeit", so Zirner.

Mama wir gehen zusammen auf eine Reise …

Die Mama ist über 80, leicht verwirrt und schwer Alkohol- und Medikamenten abhängig. Bevor sie endgültig die Seite wechselt, möchte ihr Sohn mit ihr ein letztes Abenteuer wagen: Die Reise beginnt auf der Bank in Zürich, wo sie erst einmal 600.000 Franken abheben - das schmutzige Familiengeld, aus den Aktien deutscher Waffensysteme.

Barbara Petritsch und Johannes Zirner

Barbara Petritsch und Johannes Zirner als Mutter und Sohn

SUSANNE HASSLER-SMITH

Das ehrlose Waffengeld

Mit dem Geld im Plastiksack, den Traum von Afrika im Kopf und dem sich ständig füllenden Säckchen für den künstlichen Darmausgang am Körper, irren Mutter und Sohn im Taxi quer durch die Schweiz, zum Fischessen, zum Edelweiß suchen in die Berge oder zu einer seltsamen Kommune, wo man den Autor für Daniel Kehlmann hält.

Petritsch: "Es gibt da diesen einen Satz, den die Mutter sagt: 'Ich hätte so gerne gute Menschen kennengelernt, um ihnen unser ehrloses Deutsches Waffengeld zu schenken.'"

"Schade, dass sich auch die Kommune als ein Haufen von Nazigaunern herausgestellt hat", konstatiert der Sohn im Stück.

Schwierige Mutter-Sohn-Geschichte

Ein Sofa und ein kleines ferngesteuertes Taxi genügen als Requisite für diese Reise, auf der nach und nach die tieferen Schichten der schwierigen Beziehung freigelegt werden: die Nazivergangenheit des Vaters, die Kindheitstraumata der Mutter, die Verletztheit des Sohnes.

Johannes Zirner: "Ob das wahr ist oder fiktiv, ob sie diese Reise wirklich machen oder sich das nur in der Phantasie abspielt, als innere Reise und vielleicht als Art Katharsis, und ob Afrika wirklich Afrika ist, und nicht Elfenstein, die psychiatrische Klinik in Wintertur, wo sie der Sohn letztendlich hinbringt, das bleibt offen."

Ironischen Beiläufigkeit

Schein und Sein verschwimmen und auch die 600.000 Franken flattern am Ende den Abgrund hinunter. Itay Tiran versucht in seiner Bühnenversion, der ironischen Beiläufigkeit dieses durchaus kapitalismuskritisch zu lesenden Romans gerecht zu werden.

"Das ist die Qualität, die Kracht auch in seinen Büchern hat", so Zirner, "dass alles etwas ganz Leichtes und fast banal Wirkendes hat, aber dann beim zweiten Mal einen ganz schönen Tiefgang offenbart".

Ob die Bühnenversion ähnlich wie der Roman zu polarisieren vermag, oder einlädt, sich mit dem Kracht-Imperium näher auseinanderzusetzen, das wird die morgige Premiere im Wiener Akademietheater zeigen.

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