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Inseraten-Praxis im roten Wien

Wenn sich die Spur des Geldes verliert

In Vorarlberg hat es eine Steuerprüfung als Reaktion auf die #doublecheck-Recherchen in Russ-Land gebraucht, um eine verdeckte Parteienfinanzierung aus Inseraten-Einnahmen ans Licht zu bringen. In Wien gibt es Geldflüsse, die erst nach der Anfechtung von Bescheiden auf Basis des Auskunftspflicht-Gesetzes nach Jahren transparent gemacht wurden, und es gibt jetzt, nach sechs Jahren, einen fragmentarischen Einblick in die SPÖ-Inseratenpraxis von 2016, die die Grünen ihrem damaligen Koalitionspartner abgerungen haben. Am Ende verliert sich die Spur des Geldes aber immer noch viel zu oft.

Im ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschuss war diese Woche jener Teamleiter des Finanzamts für Großbetriebe als Auskunftsperson geladen, der die Inseratengeschäfte des früheren Vorarlberger Wirtschaftsbund-Direktors unter die Lupe genommen hat. Ein überaus korrekter und erfahrener Beamter, der gespürt hat, dass da etwas faul sein könnte.

Recherchen der Plattform "Dossier" zu Inseratengeschäften der Stadt Wien haben zwar auch viele Merkwürdigkeiten zu Tage gefördert, aber eine behördliche Prüfung haben sie nicht nach sich gezogen. So haben die Leute von "Dossier" eine billig gemachte Beilage im A5-Format entdeckt, die offensichtlich zum Zweck der Umgehung des Medientransparenz-Gesetzes wiederum einer Beilage in einer Zeitung beigelegt wurde. Auskunft über die Kosten gab der Presse- und Informationsdienst der Stadt erst, als er auf Aufforderung des Verwaltungsgerichts musste.

170.000 Euro für eine Beilage und alle Fragen offen

Kostenpunkt der Beilage: 170.000 Euro. Kassiert hat das Geld der Bohmann-Verlag, der dem - mit der SPÖ in Wien und im Burgenland gut vernetzten - Gerhard Milletich mit einer Partnerin gehört. Der Burgenländer ist nebenbei auch Präsident des Österreichischen Fußballbunds ÖFB. Warum die Stadt Wien vulgo SPÖ Milletich so viel Geld für ein schlecht gemachtes Heftchen ohne erkennbaren Nutzen zahlt, das hat bisher noch niemand beantworten wollen.

Milletich war für #doublecheck in dieser Sache nicht zu erreichen, das Büro des zuständigen Finanzstadtrats Peter Hanke lässt auf Anfrage lapidar wissen: "Es wird eine konkrete Leistung im Sinne von Redaktion, Produktion und Reichweite erbracht." Was man im Fall dieser Beilage in der Beilage schwer nachvollziehen kann.

"Im besten Fall wird Steuergeld verschwendet"

Man kann nur spekulieren. Dossier-Chefredakteur Florian Skrabal: "Im besten Fall ist es einfach Steuergeldverschwendung für wohlwollende Berichterstattung und im schlimmsten Fall könnte das - könnte, wohlgemerkt - könnte das natürlich auch in die Richtung Parteienfinanzierung gehen, wo das Geld dann über Umwege wieder irgendwie zurück läuft oder wo man sich quasi einen anderen Gefallen tut, vielleicht eine Veranstaltung ausrichtet." Die Suche nach dem Motiv für solche Zahlungen habe bisher kein Ergebnis gebracht. "Wo ist das Quid pro quo? Was hat die Stadt Wien davon? Was hat ein Politiker, eine Politikerin sonst noch davon dort zu schalten? Das ist die Gretchenfrage."

Die Grünen haben sich einmal Einblick erpresst

Die auch die Grünen Gemeinderäte Martin Margulies und David Ellensohn nach zehn Jahren Regierungszusammenarbeit mit der SPÖ in Wien nicht beantworten können. Ellensohn war wie heute Klubobmann, Margulies Finanzssprecher. Im Jahr 2017 haben sie es geschafft, vom damals zuständigen SPÖ-Stadtrat Andreas Maillath-Pokorny einen kleinen Einblick in die Inseraten-Grauzone zu bekommen. Was und wieviel wird ausgegeben, ohne dass es irgendwo aufscheint?

Klubobmann David Ellensohn und Gemeinderat Martin Margulies von den Grünen im #doublecheck-Interview mit Stefan Kappacher

Ellensohn erinnert sich: "Wir haben ein einziges Mal diese Liste bekommen, man muss fast sagen, wir haben sie erpresst. Weil wir gesagt haben, sonst stimmen wir woanders nicht zu. Das hat uns monatelang heftige Streitereien hinter den Kulissen gekostet. Dann haben wir einen lose geschriebenen Zettel bekommen, den wir kein zweites Mal mehr bekommen haben. Aber wir haben das Dokument einmal, damit ist es leicht beweisbar."

1,5 Millionen Euro als belegbare Dunkelziffer

Der Zettel liegt #doublecheck vor, er betrifft das Jahr 2016 und enthält die Summe von 1,540.483 Euro - für Inseratenschaltungen, die gemäß Transparenz-Gesetz nicht gemeldet werden mussten. Weil etwa im Quartal 5000 Euro nicht überschritten wurden oder weil in nicht periodischen Druckwerken, die weniger als viermal im Jahr erscheinen, inseriert worden ist. Die Liste wird wohl nicht vollständig sein, jedenfalls stechen drei Posten besonders ins Auge: jeweils genau 184.800 Euro und immer für die Beilage "Schau" aus dem SPÖ-nahen Bohmann-Verlag, der auch die oben beschriebene Beilage in der Beilage produziert hat.

Ein loser Zettel und klagbare Gedanken

Spätestens mit der Auflistung, die die Grünen der SPÖ abgepresst haben, ist klar, dass das ein Muster ist: Millionenbeträge fließen im Dunkeln von der Stadt an befreundete Geschäftspartner. Über das Warum wundert sich auch der Grüne Martin Margulies: "Geglaubt habe ich jederzeit, dass das eigentlich ein Umgehungsgeschäft ist und irgendwie der Finanzierung von wem auch immer dienen, ob direkt der Sozialdemokratie - oder ob andere Vorleistungen damit bedient werden, keine Ahnung."

Margulies weiter: "Ich würde niemandem was unterstellen. Wir haben es niemals irgendwie beweisen können. Aber wo ist die Sinnhaftigkeit von irgendwelchen A5 Beilagen mit 16 Seiten, eine hat geheißen 'Der schöne Advent', die nächsten 'Der schöne Herbst' und 'Der schöne Frühling' - überspitzt formuliert. Beigelegt in der Beilage bei irgendeiner Zeitung. Und dafür pro Ausgabe zwischen 90.000 und 170.000 Euro. Das ist Geld-Verbrennen." Grünen-Klubchef Ellensohn ergänzt: "Deswegen haben wir recherchiert - in die Richtung: gab es bei diesen Geschäften Umgehungen, Geschäfte quasi, wo das Geld zurückfließt an die SPÖ oder an SPÖ-nahe Personen? Das konnten wir auch trotz Recherche nicht belegen. Was ich mir dazu denke, könnte möglicherweise klagbar sein."

Die große Ohnmacht des kleinen Partners

Es sei für eine kleine Regierungspartei gegen den Willen eines so mächtigen Partners wie der SPÖ Wien nicht möglich, solche Hintergründe aufzudecken, sagt David Ellensohn. Das gehe den NEOS aktuell nicht anders, die Ellensohn in den Transparenzfragen gerade deshalb als Verbündete sieht. Im eigenen Ressortbereich könne man viel machen, aber die meisten Ressorts in Wien würden eben von der SPÖ geführt - siehe die MA 48, deren üppiges Budget für Öffentlichkeitsarbeit - fast sechs Millionen Euro in drei Jahren - eben vom Stadtrechnungshof zerpflückt worden ist. Da könne man sich nur ärgern und nicht einmal allzu laut Kritik üben, wegen der Atmosphäre der Zusammenarbeit.

Wenn der oberste Müllmann den Ton angibt

Die Magistratsabteilung 48 ist für Stadtreinigung und Müllentsorgung zuständig und mache ihre Sache hervorragend, sagt Ellensohn. "Aber brauchen die mehr Werbegeld pro Jahr als die Steiermark? Oder brauchen die mehr Werbegeld als drei Bundesländer zusammen - wie Kärnten, Vorarlberg und Burgenland. Das ist unverhältnismäßig." Den Leiter der MA 48, Josef Thon, lässt solche Kritik kalt: "Wenn Wien zehnmal hintereinander die lebenswerteste Stadt der Welt ist, weil unsere Parks so schön sind und die U-Bahn so super ist und die Sauberkeit vielleicht auch dazu beiträgt, dann finde ich, das ist nicht so schlecht. Wir haben als MA 48 einen Ausgabenrahmen von 400 Millionen und davon geben wir 0,5 Prozent für Öffentlichkeitsarbeit aus, also circa zwei Millionen. Da haben Sie recht", so Thon gegenüber #doublecheck.

Der Inseraten-Wall, wo man nicht drüber kann

Florian Skrabal von "Dossier" hat auch angesichts solcher Positionierungen ein eher resignatives Fazit: Es sei ein hartes Los, mit jener Partei zu regieren, die das Inseraten-Versteckspiel über Jahrzehnte zur Perfektion getrieben hat. Das habe für die Grünen gegolten, das gelte jetzt auch für die Pinken. Skrabal: "Man sieht quasi, sie versuchen etwas. Doch ich befürchte, sie werden hier auf den selben Inseraten-Granit beißen wie die Grünen davor. Denen glaub ich auch wirklich, dass sie das System ändern wollten, aber nicht konnten, weil es einfach eine Grenze für die SPÖ Wien gibt. Das ist der Inseraten-Wall, wo man nicht drüber kann."

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