Fliegendes Plastiksackerl

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Wiener Medienpolitik

Der Medien-Sturm ist ein Lüftchen

Klare Kriterien für Inserate, weniger Werbung und mehr Transparenz. Was ist aus den medienpolitischen Versprechungen der rot-pinken Stadtregierung geworden? #doublecheck hat gemeinsam mit dem "Faktiv"-Team von "profil" nachgefragt.

Bei Medienkooperationen und Inseraten hat sich die rot-pinke Wiener Stadtregierung in ihrem Koalitionsabkommen eigentlich festgelegt. Man wolle bevorzugt mit Medien zusammenarbeiten, bei denen "journalistische Sorgfalt" einen hohen Stellenwert hat, hieß es im Oktober 2020.

Christoph Wiederkehr

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Christoph Wiederkehr

Dünne Arbeitsgruppe zu Inseratenvergabe

Eineinhalb Jahre später ist von klaren Kriterien aber noch immer keine Rede. Bisher wurde lediglich eine Arbeitsgruppe eingesetzt, die sich um die heikle Angelegenheit kümmern soll. Der Presserat soll in die Gruppe eingebunden sein, auch Ex-Höchstrichterin Irmgard Griss - beide verneinen das. Vizebürgermeister Christoph Wiederkehr von den NEOS sagt: "Wir eruieren, ob Qualitätskriterien objektiv festzustellen sind. Ich möchte nicht, dass Politiker urteilen, welches Medium qualitativ ist oder nicht." Denn dann würden Willkür oder sogar Zensur drohen, warnt Wiederkehr.

Studie als Richtschnur statt transparenter Kriterien

Die Inserate der Stadt Wien werden vom Presse- und Informationsdienst (PID) gebucht. Grundlage für die Werbekampagnen ist derzeit die Mediendiskurs-Studie, teilt das Büro vom zuständigen Finanzstadtrat Peter Hanke (SPÖ) auf #doublecheck-Anfrage mit. Die Studie sei eine repräsentative empirische Erhebung und soll darüber Auskunft geben, welche Zielgruppen welche Medien in Wien konsumieren. Auf dieser Basis werde dann entschieden, wo welche Inserate veröffentlicht werden.

Neuer Kommunikationsbericht zeigt Schwächen auf

Wie diese Vergabepraxis in die Tat umgesetzt wird, ist im heuer erstmals veröffentlichten "Jahresbericht zur Stadtkommunikation" nachzulesen. So wurde etwa eine Kampagne über Fake News, die sich speziell an die junge Zielgruppe richtet, vor allem in Print geschaltet - und nur ein Prozent in Sozialen Netzwerken, wo sich Junge eigentlich vor allem bewegen. Während die teure Kampagne zur Wiener Stadtstraße im neuen Kommunikationsbericht erst gar nicht erwähnt wird, findet man manch andere pikante Informationsoffensive. 300.000 Euro sind allein in eine Kampagne geflossen, die Wiener Parkanlagen beworben hat. Um die Bürgerinnen und Bürger zur Nutzung zu animieren, wie es heißt.

Bericht listet die Geld-Empfänger noch nicht auf

Inserate mit fragwürdigem Informationsgehalt beschäftigen "Dossier"-Chefredakteur Florian Skrabal schon lange. Denn wenn sich auch so manche Tendenzen herauslesen lassen, ist der neue rot-pinke Kommunikationsbericht für Skrabal alles andere als ein großer Wurf. So wie bei den Zahlen, die man in der RTR-Transparenzdatenbank finde, gebe es zahlreiche Lücken. Auch Markus Hametner vom Forum Informationsfreiheit ortet eine PR-Maßnahme. "Etwas, das man versprochen hat und das man einfach abhaken wollte", so Hametner.

NEOS-Vizebürgermeister Wiederkehr spricht von einem "Meilenstein" in Sachen Transparenz, räumt indirekt aber einen Schnellschuss ein. "Es war jetzt eine erste Version, die wir schnell veröffentlichen wollten." Die wichtige Information, in welchen Medien die Kampagnen dann tatsächlich erschienen sind, sprich: wer das Inseratengeld kassiert hat, werde ab dem nächsten Bericht enthalten sein. Dieses Vorhaben bestätigt auch die SPÖ-Seite, das Büro Hanke. Der Erscheinungstermin für den Bericht über 2022 sei Anfang 2023.

Das rote Wien ist immer noch der Inseraten-Kaiser

Als kleiner Koalitionspartner könne man eben nicht alles von einem Tag auf den anderen verändern, rechtfertigt sich NEOS-Chef Wiederkehr. Das Eingeständnis kann auch für die Höhe der Inseraten-Ausgaben gelten, wo die NEOS vor ihrer Regierungsbeteiligung auf eine Senkung gedrängt haben. Nicht weniger als eine Halbierung forderten sie damals. Doch Wien inseriert immer noch mehr als alle anderen Bundesländer zusammen. Davon profitiert in absoluten Zahlen am meisten der Boulevard.

Christoph Wiederkehr verweist auf Einsparungen im Kommunikationsbereich in der laufenden Legislaturperiode in der Höhe von 20 Millionen Euro, weil die stadt-eigenen Medien auf neue Beine gestellt wurden. Was die Werbeausgaben angehe, habe man ein Budget der Vorgängerregierung "geerbt". Mit dem aktuellen Doppelbudget schaffe man es aber, "das Inseraten-Volumen unter 20 Millionen Euro zu bringen". Das sei eine Einsparung von 800.000 Euro, sagt Wiederkehr. Mehr habe man mit der SPÖ nicht zustande gebracht.

57 Prozent mehr für PR ausgegeben als geplant

Ob es bei den unter 20 Millionen bleibt, ist allerdings fraglich. Denn an Budget-Voranschläge wie diese hat sich die Rathaus-SPÖ auch in der Vergangenheit nicht gehalten. Ganz im Gegenteil. Die Stadt wollte laut Budget-Voranschlag schon im Jahr 2021 auf 20,3 Millionen Euro für Werbung kommen. Geworden sind es letztlich satte 32 Millionen Euro, also um 57 Prozent mehr als geplant. Das zeigt der Kommunikationsbericht, wie #doublecheck und "profil"-Recherchen jetzt ergeben haben.

Die Diskrepanz wird von der Stadt mit "zusätzlichen Themen" und unterschiedlichen Budgettöpfen begründet. Von der Gesamtsumme entfallen mindestens 24 Millionen Euro auf die tatsächlich gemeldeten Inserate in der offiziellen Datenbank. Agenturkosten und zum Beispiel Plakatwerbung machen den Rest aus. Aber auch Inserate unter der Bagatellgrenze von 5.000 Euro sind laut Büro Hanke enthalten.

Bald Transparenz auch unter der Bagatellgrenze?

Und dazu gibt es noch ein einhelliges Versprechen der Wiener Stadtregierung: Man werde künftig auch Inserate unter der Bagatellgrenze sowie jene in nicht-periodischen Medien veröffentlichen. Das wäre tatsächlich eine Zäsur - denn derzeit müssen Journalistinnen und Journalisten den mühsamen Weg über die Gerichte gehen, um darüber genaue Informationen zu bekommen.

Markus Hametner, der in der Sache gerade eine Revision vorbereitet und vor den Verwaltungsgerichtshof zieht, vermutet eine hohe Dunkelziffer an Inseratenschaltungen. Von anderen Behörden wisse man bereits, dass aktuell bis zu 40 Prozent der Werbe-Ausgaben im Verborgenen bleiben. Dass die Öffentlichkeit Anrecht hat, die volle Wahrheit zu kennen, liegt für Hametner auf der Hand. "Was ausgegeben wird, ist Steuergeld. Warum sollten wir es nicht wissen?"

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