ORF/JOSEPH SCHIMMER
Schwertsik-Hommage
Liebesträume im Salotto Romano
Ö1 Schwerpunkt über Kurt Schwertsik - aus Anlass der CD-Veröffentlichung mit den Werken Opus 1 bis 7
19. Jänner 2023, 12:00
Es ist vielleicht das zarteste und sensibelste, aber zugleich auch faszinierendste und rabiateste Opus der österreichischen Musikgeschichte, das unter dem Eindruck des seriellen Denkens geschrieben worden ist: das Opus 2 von Kurt Schwertsik aus dem Jahr 1957. Nun wird es endlich veröffentlicht, in einer historischen Aufnahme, gespielt 1960 von Friedrich Cerha und Iván Eröd.
Zu den Sendungen
Das Ö1 Konzert | 15 12 2022 - Aufregendes Frühwerk
Le week-end | 17 12 2022 - Streichquartett mit Schwertsik/Riley
Zeit-Ton extended | 18 12 2022 - Schwertsik empfiehlt
Zeit-Ton | 19 12 2022 - Schwertsiks Lehr & Wanderjahre (1)
Zeit-Ton | 20 12 2022 - Lehr & Wanderjahre (2)
Im Jahr 2020, rechtzeitig zum 85. Geburtstag des Komponisten Kurt Schwertsik, erschien ein Buch (was & wie lernt man?), in dem Schwertsik über seine frühen, "lernenden" Jahre berichtet, jene Jahre zwischen Wien, Darmstadt, Venedig, Köln, Rom und London, während derer er die Komponisten John Cage, Pierre Boulez, Karlheinz Stockhausen und Friedrich Cerha und dann Heinz Karl Gruber in Wien kennenlernte. Außerdem bzw. vor allem Nam June Paik, David Tudor, Christian Wolff und Cornelius Cardew. Es sind jene Jahre, in denen er seine ersten sieben, mit Opuszahlen versehenen Werke schreibt. Dieser Schatz wird nun nach Jahrzehnten mit der Edition-Ö1-CD "Opus 1-7" endlich gehoben.
ORF
Ein Schatz wird gehoben
Und was ist so spannend daran? Mit dem "Eichendorff-Quintett" von 1964 - das Opus 8 - beginnt sich musikalisch jener Kurt Schwertsik zu zeigen, der später bekannt wurde und für dessen Musik gern Begrifflichkeiten wie "doppelter Boden" oder "ironische Sentimentalität" verwendet wurden und werden. Davor aber, zwischen 1954 und 1964, war noch ein ganz anderer Schwertsik wahrzunehmen. Ein suchender Modernist, der auf seinem Weg mit aufmerksamem Sensorium die Zeitströmungen zwischen Serialismus, Zufallsmanipulationen und Fluxus wahr- und aufnimmt - aber schon damals zu eigenwilligen und bemerkenswerten kompositorischen Schlussfolgerungen kommt. Nur kennt die Musik dieser Schwertsik’schen Magical Mystery Tour leider fast niemand.
Daran wollen wir mit dieser CD etwas ändern. Manche dieser ganz frühen Stücke schreibt Schwertsik für sich und seine Freunde, beispielsweise für sich selbst als Hornisten, Cerha als Geiger und Komponistenkollegen Iván Eröd am Klavier - das Trio Opus 3. Wir haben eine Aufnahme von 1960 mit genau diesen drei Musikern im Klagenfurter ORF-Archiv gefunden. Auch diese Archivaufnahme ist auf dieser CD zu finden. Für die vorliegende CD machten wir uns also zuerst auf die Suche nach historischen Aufnahmen aus den 1960er Jahren (Opus 2, 3, 5 und 7). Die anderen Aufnahmen entstanden in verschiedenen Kontexten im 21. Jahrhundert.
Collagierter Liszt
"Salotto Romano" heißt ein 1961 tatsächlich in Rom geschriebenes Stück für ein Kammerensemble betont tiefer Instrumente. 1967 dirigiert Schwertsik sein eigenes Stück in einem WDR-Studio, und auch dieses Band ist erhalten und klingt fantastisch. Die Musik klingt beinahe, als hätte man ein ungewöhnlich avantgardistisch wie zugleich sanft klingendes Stück von Morton Feldman gefunden.
Last but not least die berühmt-berüchtigten Schwertsik’schen "Liebesträume": Angeregt von Cornelius Cardew und der Cut-up-Technik von William Burroughs, zerschneidet Schwertsik eine Version der "Liebesträume" von Franz Liszt und collagiert sie gegen den harmonischen Strich wieder zusammen. Versehen mit einem aktionistischen perkussiven Mittelteil, bringt er das Stück 1962 zum Kurs bei Stockhausen mit. 1968 dann, bei einer der legendären Jugendkulturwochen in Innsbruck, dirigiert Erich Urbanner dieses spektakuläre Stück. Ein Klavierstück und ein Streichquartett, von denen keine brauchbaren historischen Aufnahmen zu finden waren, wurden von den österreichischen Musikerinnen des Koehne-Streichquartetts und der Pianistin Aya Klebahn neu eingespielt, auch vom Hornisten Peter Dorfmayr samt Klavierpartner Johannes Wilhelm.
Gestaltung
- Christian Scheib