Radiokolleg - Weg damit
Geplanter Verfall und lustvolle Verschwendung (1). Gestaltung: Nikolaus Scholz
15. September 2014, 09:05
Seit 1901 leuchtet in der Feuerwache von Livermore im US-Bundesstaat Kalifornien eine 4 W-Kohlefaden-Glühbirne, die, abgesehen von Stromausfällen und diversen Umzügen, bis heute nahezu ununterbrochen geleuchtet hat, und das täglich 24 Stunden lang.
Als die von Adolphe A. Chaillet erfundene Glühbirne Anfang des 20. Jahrhunderts ihren Siegeszug um den Globus antrat, waren Produzenten und Ingenieure noch stolz, ein langlebiges Produkt auf dem Markt zu präsentieren. Der Begriff der "geplanten Obsoleszenz" war damals noch ein unbekanntes Fremdwort.
Doch eine lange Haltbarkeit von Produkten war der wachsenden Wirtschaft bald ein Dorn im Auge. So beschloss etwa das Phoebus-Kartell - dem unter anderem Philips, Osram und General Electric angehörten - eine Reduzierung der Lebensdauer von Glühbirnen zugunsten des steigenden Konsums. Viele andere Maßnahmen sollten folgen: Angefangen von Nylonstrümpfen, deren Haltbarkeit reduziert wurde, bis hin zu Druckern, deren Verfallsdatum per Mikrochip gesteuert wird. Einen bewussten Kontrapunkt zu einer geplanten Obsoleszenz setzten Firmen aus der ehemaligen DDR, in der die Ökonomie nicht vom freien Markt geregelt, sondern zentral vom Staat gesteuert wurde. So verordnete z.B. das effizienteste der kommunistischen Wirtschaftssysteme, dass Kühlschränke und Waschmaschinen 25 Jahre halten mussten.
Über Jahrhunderte war das Wiederverwerten, das Neumachen aus Altem selbstverständlich. Reparieren stand für überwundenen Mangel, Verschwendung war hingegen ein Symbol für Wohlstand: Wer wegwarf, konnte es sich leisten. Die Einführung von Plastik dagegen etablierte das Wegwerfen im großen Stil, denn eine Weiterverwertung war lange ausgeschlossen. Heute ist die Zunahme von Abfall in der modernen Gesellschaft ein Indiz dafür, dass es immer weniger gibt, dem wir wirklich einen Wert beimessen.
Service
BUCHTIPPS:
Christian Kreiß, Geplanter Verschleiss (Europaverlag Berlin)
Wolfgang M. Heckl, Die Kultur der Reparatur (Hanser)
H. Höge/P.Berz/M.Krajewski, Das Glühbirnenbuch (Braumüller)
Stefan Schridde, MURKS? NEIN DANKE! Was wir tun können, damit die Dinge besser werden (oekom Verlag)
J.Reuß/Cosima Dannoritzer, Kaufen für die Müllhalde (orange press)
Susanne Wolf, Nachhaltig leben (VKI)
LINKS:
www.reparaturnetzwerk.at
www.rusz.at
www.murks-nein-danke.de/murksmelden
www.youtube.com/watch?v=zVFZ4Ocz4VA
www.ban.org
www.ifixit.com