Gedanken für den Tag

12. September 2015, 06:56

Das Gemeinsame und das Verbindende

Insgesamt befinden sich nun ungefähr 150 schulpflichtige Kinder in Traiskirchen. Zwei Drittel davon sind schulpflichtige unbegleitete Minderjährige.

Österreich ist nun für deren Ausbildung und Betreuung zuständig, sie haben niemanden sonst, der auf sie schauen würde. Sie brauchen Unterstützung und sie brauchen Empathie. Es sind, wie gesagt, keine Zahlen, keine Probleme, es sind ganz einfach Kinder. Wenn man zurückblickt in Österreichs Vergangenheit, kann man sehen, wie viele Menschen dieses Land als Zufluchtsort wählten, aber auch fluchtartig verlassen mussten. Österreich ist immer ein Schmelztiegel gewesen, bewährt im Verdauen neuer Einflüsse: vom Kaffee bis zum Knödel, von Literatur bis Wissenschaft. Dieses Land wäre um viele Eigenheiten und Vorzüge ärmer, hätte es sich immer gegen Neuerungen und zugewanderte Menschen verwehrt. Minderjährige Flüchtlinge sind - wenn man es schon nicht anders als wirtschaftlich betrachten will - humane Ressourcen, die nicht nur von dieser neuen Heimat profitieren könnten, sie sind Ressourcen, von denen auch das neue Heimatland profitieren kann. Sie sind jung, schon allein deswegen flexibel, vor allem wenn man ihren Ehrgeiz nicht einstampft, indem man sie nicht am normalen Schulalltag teilnehmen lässt, sondern ihre kindliche Entwicklungsbereitschaft fördert. Sie haben bereits bitter gelernt, selbstständig zu sein und haben damit den wohlbehüteten Jugendlichen einiges voraus: ein Austausch zwischen diesen Gruppen bringt beiden Seiten etwas, ein Erkennen und Begreifen unterschiedlicher Realitäten und Lebensläufe. Es wäre vollkommen hirnrissig, sich und ihnen diese Chance zu vergeben: indem man sie zu lange auf Deutschunterricht warten, nicht am Unterricht teilnehmen, in dem man sie nicht ankommen lässt in einer neuen Realität und damit die alte, oft traumatische, prolongiert.

Im Judentum beginnt morgen Abend ein Neues Jahr. Rosch HaSchana, auf Deutsch "Kopf des Jahres", heißt dieses Fest, das 48 Stunden dauert. Danach beginnen die sogenannten "zehn Tage der Umkehr", die zu Selbstbesinnung und zum Überdenken der eigenen Taten einladen. Manches Mal ist so eine Einkehr sehr hilfreich für das eigene Leben. Aber auch alle, die jetzt für diese Kinder verantwortlich sind, sind herzlich dazu eingeladen.

Service

Kostenfreie Podcasts:
Gedanken für den Tag - XML
Gedanken für den Tag - iTunes

Sendereihe

• Gedanken für den Tag