Gedanken für den Tag

1. Dezember 2015, 06:56

In meiner Erinnerung ist meine Examenspredigt, die ich als eine der Prüfungen vor 36 Jahren zum Abschluss meines Theologiestudiums verfassen musste, deswegen eine Note schlechter beurteilt worden, weil ich mit den im Bibeltext vorkommenden Engeln sehr rabiat umgegangen bin. Meine Meinung damals: Sie seien nur unwesentliche Randerscheinungen, die unnötig vom zentralen Inhalt, nämlich Jesus Christus, ablenken. Am liebsten hätte ich die Engel damals im Bibeltext gestrichen.

Da ich die Predigt samt Beurteilung beim letzten Umzug weggeworfen habe, kann ich nicht mehr nachlesen, ob es nicht möglicherweise ganz andere Gründe waren, die bei der mittelmäßigen Note eine Rolle spielten. Aber ich weiß noch genau, dass meine Fokusiertheit damals rechts und links vom Weg keinerlei Blumen, Sonnenuntergänge oder eben auch Engel wahrnahm.

Mit den Jahren hat sich meine Einstellung geändert. Mein Horizont wurde weiter, ich bin nicht mehr ganz so orthodox unterwegs wie in meiner Jugend. Doch esoterische Engelverliebtheit, kitschige Darstellungen, magische Vorstellungen von Schutzengeln oder Engelsrufer, das alles ist auch heute noch nichts für mich. Diesbezüglich lebe ich immer noch eine große Nüchternheit. Aber wenn ich mein Leben im Rückblick betrachte, ahne ich, dass mir da und dort wohl Engel begegnet sind. Ohne Halleluja, ohne Posaunen, ohne Pausbacken und Flügel, aber oft mit genau dem notwendigen helfenden Handgriff, dem guten Gedanken, der überraschenden Lösung. Plötzlich war ich nicht mehr allein auf mich angewiesen. Sie waren da, ohne sich aufzuspielen, ohne sich ins Zentrum zu rücken. Boten eben. Wie aus einer anderen Welt.

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Sendereihe

• Gedanken für den Tag

Gestaltung

• Alexandra Mantler