Koalitionsverhandlungen haben begonnen

Ringen um die Downing Street Nr. 10

Nach den britischen Parlamentswahlen am Donnerstag haben die Parteien nun mit ersten Gesprächen zur Regierungsbildung begonnen. Normalerweise zieht schon am Tag nach der Wahl der Spitzenkandidat der siegreichen Partei als neuer Regierungschef in die Downing Street Nummer 10 ein. Doch diesmal ist alles anders.

Morgenjournal, 08.05.2010

Wahlsieger David Cameron von den Konservativen hat ja keine absolute Mehrheit und lotet nun einmal aus, wer ihn in einer künftigen Regierung unterstützen könnte. Vorerst jedenfalls bleibt daher Wahlverlierer Gordon Brown noch Premier - und muss auch die Downing Street noch nicht räumen.

Cameron macht "großes Angebot"

Mit einem Telefongespräch der beiden Parteichefs David Cameron von den Tories und Nick Clegg von den Liberaldemokraten begann Freitagnachmittag das, was für die meisten Briten so ungewöhnlich ist, ja fast eine anrüchigen Beigeschmack hat: Verhandlungen über die Kooperation in einer künftigen Regierung. Kurz vorher hatte Cameron die Liberaldemokraten ganz offiziell dazu eingeladen: "Ich möchte den Liberaldemokraten ein großes, offenes und umfassendes Angebot machen. Ich möchte, dass wir zusammenarbeiten bei der Lösung der großen und drängenden Probleme unseres Landes, der Schuldenkrise, unserer großen sozialen Probleme und des Problems unseres kaputten politischen Systems.

Ministerposten für Liberale möglich

Und wie William Hague von den Konservativen später klarstellte, war dies nicht nur als Angebot zu einer informellen Kooperation gemeint, möglich sei durchaus auch eine echte Koalition mit Ministerposten für die Liberaldemokraten. David Cameron machte allerdings auch gleich klar, in welchen Punkten die Konservativen nicht von ihren bisherigen Positionen abrücken würden - nämlich bei ihrer kritischen Einstellung gegenüber der EU, bei der Begrenzung der Einwanderung und bei der Modernisierung jener britischer U-Boote, die mit Atomwaffen ausgerüstet sind. Es sind das alles mögliche Konfliktpunkte mit den Liberaldemokraten. Nick Clegg bestätigte aber, dass er nun einmal mit den Konservativen reden werde.

Clegg: "Wahlsystem funktioniert nicht"

Nun müssen die Konservativen zeigen, dass sie imstande sind, im nationalen Interesse zu regieren, so Clegg. Dann spricht er aber auch gleich das für seine Partei vielleicht wichtigste Anliegen an: "Diese Wahl hat es ganz deutlich gemacht: unser Wahlsystem funktioniert nicht - es spiegelt die Hoffnungen und Wünsche der Briten nicht wider." Was Clegg meint, ist dass die Zahl der Abgeordneten und die Zahl der Stimmen vor allem bei kleineren Parteien auseinanderklaffen: So haben die Liberaldemokraten etwa 23 Prozent der Stimmen, aber nicht einmal 9 Prozent der Sitze im Parlament erringen können.

Tories erteilten Abfuhr

Die Tories haben dem Wunsch der Liberaldemokraten nach einer Reform des Wahlsystems am Freitag aber erneut eine deutliche Abfuhr erteilt, gerade die Einrichtung einer Kommission, die das Problem untersuchen soll, hat Cameron Clegg zugesagt.

Brown als Alternative

Labour-Chef Gordon Brown ist das schon entgegenkommender: "Ein faireres Wahlsystem ist zentral. Das britische Volk soll in einem Referendum entscheiden, welches System wir anwenden". Ja, Brown dient sich den Liberaldemokraten ganz unverhohlen als Alternative zu den Tories an: "Wenn bei den Gesprächen zwischen Herrn Cameron und Herrn Clegg nichts herauskommt, dann bin ich natürlich bereit, mit Herrn Clegg die Gebiete zu diskutieren, wo es einige Übereinstimmung gibt.

Die Qual der Wahl

Die Liberaldemokraten sind somit in der Rolle des Königsmachers. Für sie dürfte es keine einfache Wahl werden. Labour bietet ihnen zwar mehr, doch ein Pakt mit Labour wäre auch ein Bündnis mit einem Wahlverlierer, und dass ein derartigen Schritt nicht einer Missachtung des Wählerwillens gleichkommt, davon müsste Clegg die Briten erst noch überzeugen.