Aufgeheizte Stimmung nach Unruhen

Verfassungsreferendum in Kirgistan

Nach den schweren Unruhen mit 250 Toten in Kirgistan findet am Sonntag ein Referendum statt. Für die Übergangsregierung unter Rosa Otunbajewa ist die Umfrage ein Schritt zur Legitimierung der Macht. Laut Kritikern sollten so kurz nach den Gewaltexzessen im Süden des Landes andere Prioritäten gesetzt werden.

Morgenjournal, 26.06.2010

Lage instabil

Kirgistan ist alles andere als befriedet. Die ethnisch motivierten Gewaltausbrüche konnten von den Ordnungskräften unterdrückt werden, doch eine Garantie, dass sich die Lage stabilisiert, gibt es keineswegs. Trotzdem will Rosa Otunbajewa an der Volksabstimmung festhalten: „Das Referendum ist notwendig, weil wir einen rechtlichen Rahmen schaffen müssen. Wenn wir das Referendum jetzt verschieben, dann droht weitere Instabilität und das Land fällt weiter zurück.“

Regierung sucht Legitimation

Für Otunbajewa bedeutet die Teilnahme der Bevölkerung an dem Referendum so etwas wie ein Votum für die Übergangsregierung. Seit dem Putsch gegen Präsident Bakijew Anfang April hat es ja noch keinen Wahlgang gegeben und die Regierung ist immer noch ohne Legitimation durch das Volk.

In Kirgistan selbst gibt es nicht wenige, die in Anbetracht der Gewalttaten mit mehr als 250 Toten und hunderttausenden Flüchtlingen argumentieren, die Übergangsregierung sollte sich in der gegenwärtigen Lage lieber mit den Hintergründen der Gewaltexzesse auseinandersetzen. Selbst Edil Baisalow, ein früherer Mitarbeiter der Übergangsregierung hat Zweifel, das Ausmaß der nationalen Tragödie sei so groß; meinte der frühere Kabinettschef der Regierungschefin, dass es moralisch und politisch falsch sei, so ein Referendum jetzt anzusetzen.

Minderheiten besser geschützt

Zerstörte Häuser, ein Teil der Bevölkerung immer noch auf der Flucht, Angst vor einer ungewissen Zukunft, die Voraussetzungen für ein Referendum sind nicht die besten. Für das Referendum lässt sich sagen, dass es einen zentralen Punkt der derzeitigen Probleme anspricht: Die von der Übergangsregierung zur Diskussion gestellte neue Verfassung stärkt das kirgisische Parlament und enthält ein starkes Grund- und Menschenrechtskapitel.

Unter dem gestürzten Präsidenten Bakijew war die Minderheit der Usbeken, die in Städten wie Osch etwa vierzig Prozent der Bevölkerung ausmacht, weder in der Regierung noch im Parlament vertreten, so etwas wird mit der neuen Verfassung, die die Rechte der Minderheiten ausdrücklich schützt, nicht mehr möglich sein.

Ausgang fraglich

Das Verfassungsreferendum am Sonntag ist also ein positiver Schritt der Übergangsregierung. Ob es aber noch ein Land zusammenzuhalten vermag, von dem der russische Präsident Medwedjew etwa fürchtet, es könnte über den inneren Konflikten zerbrechen, ist allerdings fraglich.