Streit zu Lasten von Verbrauchern und Umwelt

Atomindustrie droht Regierung

Der Streit zwischen Politik und Atomindustrie über eine Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke eskaliert: Als Reaktion auf eine geplante Brennelemente-Steuer und auf strengere Auflagen für den AKW-Betrieb drohen die Atomstrom-Konzerne mit dem sofortigen Abschalten der Meiler.

Mittagsjournal, 17.08.2010

Atomlobby droht Regierung

Als Säbelrasseln bezeichnet Steffen Seibert, Sprecher von Kanzlerin Angela Merkel, die Drohungen der Atomindustrie, die 17 deutschen Atomkraftwerke vom Netz zu nehmen, sollte ab 2011 eine Atomsteuer eingeführt werden. Es sei nicht hilfreich, wenn Drohgebärden nach außen dringen, während Gespräche laufen, so Seibert. Die Atomlobby wehrt sich gegen eine Brennelemente-Steuer, über die 2,3 Milliarden Euro ab 2011 als Teil des Sparpakets in die deutsche Staatskassa fließen sollen.

Umstrittene Nachrüstung

Auf Kritik seitens der Atomindustrie stoßen auch die geplanten erhöhten Sicherheitsauflagen für Atomkraftwerke. Die Nachrüstung von einigen Kernkraftwerken würde sich nicht auszahlen, heißt es. Dieser Konflikt überschattet die Verhandlungen über die Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke. Im Jahr 2002 hat die rot-grüne Regierung Fristen für den Atomausstieg vereinbart. Demnach müsste der letzte Atommeiler in Deutschland im Jahr 2020 vom Netz genommen werden.

Regierung uneins über Ausstiegszeitpunkt

Während die vier großen Atomstromkonzerne geschlossen eine Verlängerung von mindestens 15 Jahren fordern, ist man innerhalb der schwarz-gelben Koalition uneins. Bundesumweltminister Norbert Röttgen von der CDU möchte eine Laufzeitverlängerung von höchstens acht Jahren erwirken. Michael Fuchs, stellvertretender Fraktionsvorsitzender von CDU-CSU, kann sich längere Fristen vorstellen: "Wir müssen die Kernkraft als Brückentechnologie betrachten und so einen vernünftigen Übergang zu einer erneuerbaren Energie schaffen. Das kann aber bis zu 20 Jahre dauern." Kritik an möglichen längeren Laufzeiten kommt von der Opposition. SPD-Chef Sigmar Gabriel meint, es sei sehr gefährlich, sehr alte Meiler um weitere 15 Jahre zu verlängern.

Zu Lasten der Verbraucher und Umwelt

Fraktionschef der Grünen im Bundestag Jürgen Trittin fordert, die Konzerne "in ihre Schranken zu verweisen: "Wer Laufzeiten verlängern will, möchte den Konzernen helfen ihr Gewinne zu vergrößern. Das geht zu Lasten der Stadtwerke und zu Lasten der Verbraucher, die durch weniger Wettbewerb höhere Preise bezahlen müssen. Und es geht zu Lasten der erneuerbaren Energien."

Juristischer Streit über Laufzeitverlängerung

Unterdessen hat sich auch ein juristischer Streit über eine mögliche Laufzeitverlängerung für Atomkraftwerke entfacht, denn diese sei ohne Zustimmung des Bundesrates verfassungswidrig. Die Koalition hat im Bundesrat allerdings keine Mehrheit und könnte versuchen, die Verlängerung ohne diese durchzuboxen. Für diesen Fall wollen SPD und Grüne vor das Bundesverfassungsgericht ziehen. Im September will die Regierung ein Energiekonzept vorlegen, das die Atomfrage klären soll.