Erste Bilanz der Kulturhauptstadt Ruhr 2010

Halbzeit im Ruhrgebiet

Das Ruhrgebiet gehört in diesem Jahr gemeinsam mit den Städten Istanbul und dem ungarischen Pecs zu den europäischen Kulturhauptstädten. 4,8 Millionen Besucher haben im ersten halben Jahr die Veranstaltungen der Ruhr 2010 besucht.

Kultur aktuell, 30.08.2010

Erwartungen übertroffen

Eigentlich gibt es heuer nicht drei Kulturhauptstädte in Europa sondern 55. 53 davon liegen im Ruhrgebiet und tragen Namen wie Hamminkeln oder Schermbeck, Hünxe oder Schwelm, Holzwickede oder Castrop-Rauxel. Sie alle partizipieren mit am Projekt Ruhr 2010.

Alle Erwartungen seien bei weitem übertroffen worden, sagt Fritz Pleitgen, der Chef der Ruhr 2010. "Möglicherweise, wenn sie mir die Erklärung erlauben, haben wir den richtigen Anfang gefunden", sagt er. "Dies ist eine alte Industrieregion und deshalb sind wir mit unserer Eröffnung auf die Zeche Zollverein gegangen. (...) Vor der Kulisse dieser Zeche haben wir dann den Wandel vom Ruhrgebiet erzählt."

Die Zeche Zollverein, seit 2001 UNESCO-Weltkulturerbe, ist eine der Hauptattraktionen geworden und lockt mit dem heuer eröffneten Ruhrmuseum, zahlreichen Ausstellungen, Galerien und Cafés die Besuchermassen an. Ebenso das von David Chipperfield neu erbaute Folkwangmuseum.

Beeindruckende Zahlen

Mit Riesenspektakeln wie dem "Day of song" oder der Sperre der A40 hat man auch die weniger kulturaffine Bevölkerung ansprechen können. Den Vorwürfen der Beliebigkeit oder Niveaulosigkeit kontert man mit beeindruckenden Zahlen: 4,8 Millionen Besucher insgesamt, ein Zuwachs der ausländischen Besucher um 90 Prozent und bis Ende des Jahres voraussichtlich eine Verdoppelung der geplanten 2.500 Veranstaltungen.

Einen großen Schatten auf die Kulturhauptstadt hat die Loveparade in Duisburg geworfen, wo bei einer Massenveranstaltung 21 junge Menschen ums Leben kamen. Sie war kein Hauptbestandteil der Ruhr 2010, wohl aber ein Zugpferd, um junge Menschen anzulocken und deshalb hat man sie ins Programm integriert. Fritz Pleitgen sagt, man "werde immer wieder Gedenkminuten abhalten. Ansonsten geht das Programm wie geplant weiter."

Zahlreiche neue Kreativzentren

Da findet etwa noch die Uraufführung der Henze-Oper "Gisela" statt. Hans Werner Henze ist ja bei der Ruhr 2010 ein Schwerpunkt gewidmet. Im Folkwangmuseum wird nach der Fotografie-Ausstellung "A star is born" im Herbst noch eine große Impressionisten-Schau stattfinden und im Duisburger Landschaftspark wird Mahlers "Sinfonie der Tausend" erklingen.

Auch wenn die alten Industriedenkmäler, Zechen, Hochöfen, Brauereien und Mühlen heute Kunst und Kreativzentren geworden sind, große Festivals wie Ruhrtriennale oder Theater der Welt hier stattfinden und man die höchste Dichte an Theatern und Museen aufweisen kann, so weist das Ruhrgebiet auch eine der höchsten Arbeitslosenzahlen auf und fast alle der 53 Städte haben aufgrund der Wirtschaftskrise einen Nothaushalt zu führen. Und gerade weil man sich in diesem Kulturhauptstadtjahr budgetär verausgabt hat, könnte das im kommenden Jahr zu Schließungen von Kulturstätten und Theatern führen. "Nach Kohle und Stahl ist jetzt Kultur der wesentliche Treibstoff, um das Ruhrgebiet voranzutreiben auf dem Weg zur Metropole Ruhr", meint Fritz Pleitgen dazu.

Die Städte müssen davon überzeugt werden, weiterhin in den Standortfaktor Kultur zu investieren, und die Menschen davon, auch nach dem Kulturhauptstadtjahr wiederzukommen. Darin liegt wahrscheinlich die größte Herausforderung der Kulturhauptstadt Ruhr 2010. Und nur so ist gewährleistet, dass die vielen neuen und neugenutzten Kulturhallen, die heuer aus dem Boden wachsen, auch in Zukunft noch mit Inhalten und Besuchern gefüllt sind. Denn sonst läuft man Gefahr, dass man in ein paar Jahrzehnten die leeren und ausgedienten Kunsttempel in lukrative Konsumtempel verwandeln muss.

Textfassung: Ruth Halle

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Ruhr 2010