Internationale Empörung

USA, EU "besorgt" über Chodorkowski-Urteil

Die erneute Verurteilung des Kreml-Kritikers Michail Chodorkowski stößt international auf Kritik. US-Präsident Obama zeigt sich besorgt, auch die EU richtet mahnende Worte an Russland. Dem früheren Öl-Magnaten wurde in dem umstrittenen Verfahren vorgeworfen, Öl aus seinem Unternehmen unterschlagen zu haben. Das Strafmaß ist noch offen.

Morgenjournal, 28.12.2010

"Missbrauch des Justizsystems"

Man sei beunruhigt wegen eines offenbar "missbräuchlichen Einsatzes des Justizsystems für unangemessene Ziele", erklärte das Weiße Haus am Montag. Das Urteil unterminiere die Zusage Russlands, die Rechtsstaatlichkeit zu stärken, und schade zudem der Fähigkeit Moskaus, seine Beziehungen zu den USA zu festigen.

Schaden für Investitionsklima

Außenministerin Hillary Clinton äußerte den Verdacht, dass "das Recht von politischen Erwägungen überschattet" werde. Der Fall Chodorkowski und andere Fälle hätten negative Folgen auf Russlands Ruf bei der Einhaltung der Menschenrechte. Außerdem schade dies dem Investitionsklima in Russland. "Wir begrüßen die Modernisierungspläne von Präsident Medwedew", meinte Clinton. Diese Modernisierung verlange aber auch ein Klima, in dem die Unabhängigkeit der Justiz respektiert werde. Die USA würden auch ein Berufungsverfahren genau verfolgen.

Ashton erinnert an internationale Pflichten

Die EU ruft Moskau zur Achtung der Menschenrechte auf. "Wie schon bei dem jüngsten Gipfeltreffen mit Russland am 7. Dezember in Brüssel hervorgehoben wurde, erwartet die EU von Russland, dass es seine internationalen Verpflichtungen im Bereich der Menschenrechte und der Rechtstaatlichkeit respektiert", teilte die Sprecherin der EU-Außenbeauftragten Catherine Ashton am Montag in Brüssel mit. Die EU werde künftige Ereignisse genau verfolgen, auch das Strafmaß für Chodorkowski. Folgt das Gericht dem Antrag der Staatsanwaltschaft, wird Chodorkowski erst 2017 aus der Haft entlassen.

Spiegel eines Machtkampfs

Der Russlandexperte Gerhard Mangott erwartet, dass der Richter am Ende der Urteilsverlesung in einigen Tagen auch die Forderung der Staatsanwaltschaft erfüllen und weitere sechs Jahre Haft für Chordorkowski verkünden wird. Im Ö1-Morgenjournal-Gespräch erläutert Mangott, dass der Prozess auch und nicht zuletzt einen Machtkampf zwischen Ministerpräsident Valdimir Putin und Präsident Dmitri Medwedew abbilde. Das Urteil bedeute für Medwedew "eine persönliche Niederlage". Es zeige den westlichen Regierungen, dass er "ein schwacher Präsident unter Premier Putin" ist.

"Urteil hat mit Rechtsstaat nichts zu tun"

Russlandexperte Gerhard Mangott im Ö1-Morgenjournal-Gespräch am 28.12.2010 mit

Signal für Putins Machtanspruch

Medwedew hatte mehrfach Bedenken zur Qualität des Verfahrens und zu Manipulationen in diesem Verfahren geäußert. Und er habe auch schon die Neigung gezeigt, Chodorkowski tatsächlich aus dem Gefängnis zu entlassen, sagt Mangott. Das Urteil sei nun ein "kleines, aber nicht unwesentliches Signal, dass Putin noch immer die Macht für sich reklamiert und sich 2012 keineswegs aus der Politik verabschieden möchte".