Fliegendes Personal im Wandel

Druck in Cockpit und Kabine

Die glamurösen Zeiten sind vorbei. Statt luxuriöser stopovers an sonnigen Destinationen prägen Schichtarbeit mit minimum crew den Arbeitsalltag. Der Wandel der Arbeit des Flugpersonals steht für prototypisch für generelle Entwicklungen der modernen Arbeitsgesellschaft.

Früher war es gemütlicher, das Fliegen. Beim Einchecken, bei den Sicherheitskontrollen und beim Boarding. Während des Flugs und nach der Landung. Und vor allem auch in der Luft, wo noch nicht gar so viele Maschinen ihre weißen Kondensstreifen in den Himmel zogen wie heutzutage.

Entgrenzung der Arbeit

Gemütlicher war das Fliegen auch für all jene, die in Cockpit und Kabine arbeiteten. Wie in vielen Bereichen der Arbeitswelt wurden in der kommerziellen Luftfahrt die Arbeitsstrukturen tiefgreifend verändert. International hat für das fliegende Personal eine Entgrenzung der Arbeit stattgefunden. Seither klagen die Besatzungen weltweit immer öfter über die deutlich gestiegene Arbeitsbelastung.

minimum crew statt stopovers

Lange Stopovers in luxuriösen Hotels an sonnigen Destinationen gehören mittlerweile auch auf der Langstrecke weitgehend der Vergangenheit an. Inzwischen "optimiert" man schon auf der Kurzstrecke mehrere Flugeinsätze hintereinander so, dass die Flug- und Arbeitszeiten der Crews bis ans Limit der gesetzlichen Vorschriften ausgeschöpft werden. Vier einzelne Flüge an einem Tag sind da keine Seltenheit. Waren früher meist ein oder zwei Flugbegleiter/innen mehr an Bord als aufgrund der Sicherheitsvorschriften unbedingt notwendig, wird heutzutage immer öfter mit "minimum crew" geflogen. Und das, obwohl der "Sitzladefaktor", also die Auslastung, deutlich gestiegen ist.

Aufgebrochene Strukturen

Diesen Strukturwandel der Arbeit des Flugpersonals haben Arbeitssoziologen der TU Chemnitz unter der Leitung von Ingo Matuschek und Günter Voß in einer groß angelegten Studie untersucht. Der Wandel der Arbeit des Flugpersonals steht für Ingo Matuschek dabei prototypisch für generelle Entwicklungen der modernen Arbeitsgesellschaft überhaupt. Ingo Matuschek: "Aus arbeitssoziologischer Sicht lassen sich Hinweise darauf finden, dass Strukturen und Regulierungen in der Luftfahrt, wie z. B. Arbeitszeiten, bereits stark aufgebrochen oder verschoben sind."

Anspruchsvolle Aufgabe

Aus einer ganz anderen Perspektive hat die Berliner Soziologin Anja Köhler die Arbeit der Flugbegleiter/innen untersucht. Ihre Diplomarbeit trägt den Titel Flug-Gesellschaften. Für die Dauer eines Fluges bilden die Menschen im Flugzeug eine spezifische Gesellschaft. Schließlich fasst ein Großraumflugzeug wie der Airbus A380-800 mehr als 800 Passagiere. Personen aus unterschiedlichsten sozialen Schichten. Reisende aus völlig verschiedenen Kulturen. Menschen, die einander anderswo möglicherweise nie begegnen würden, sind gezwungen, bis zu 16 Stunden mit Hunderten anderen zu verbringen. Auf allerengstem Raum. Ohne Rückzugsmöglichkeiten. In dieser sozial doch ziemlich extremen Situation das "zivilisatorische Minimum" (H. M. Enzensberger) sicherzustellen, ist eine anspruchsvolle Aufgabe.

Die Flugbegleiter/innen brauchen dafür viele Qualifikationen: unter anderem gute Sprachkenntnisse, breites interkulturelles Wissen und professionelles Verständnis. Sie müssen mit medizinischen und anderen Notfällen kompetent umgehen können. Und sie benötigen ein hohes Maß an Empathie. Für all das bedarf es entsprechend fundierter Ausbildung und förderlicher Arbeitsbedingungen. Auch in Zukunft. Auch bei Low-cost-carriern mit Billigtickets. Trotz Kostendruck und Deregulierung.

Spätestens kurz vor einer Notwasserung am Hudson River würde dem vermutlich auch jeder "Optimierer" zustimmen.