Wann gibt Polizei auf und greift Militär ein?

Tage der Entscheidung für Mubarak

Dass das Regime die Internet- und Handynetze kappt, wird die Protestbewegung in Ägypten kaum stoppen. Die aktuellen Demonstrationsaufrufe sind bereits abgesetzt. Nun kommt es darauf an, wie lange die Polizei durchhält und wie lange das Militär dem Treiben tatenlos zuschaut.

Direktbericht aus Kairo

ORF-Korrespondent Karim el Gawhary im Ö1 Mittagsjournal am 28.01.2011 im Gespräch mit

Listen mit Sammelpunkten

"Heute ist der entscheidende Tag, heute werden wir Mubarak los" - überraschend viele Menschen in Ägypten sind dieser Meinung, berichtet ORF-Korrespondent Karim el Gawhary. Dass seit Mitternacht Internet und Handynetze in Ägypten abgeschaltet sind - Festnetz funktioniert noch -, deutet vor allem auf die Angst des Regimes hin. Denn gegen die aktuelle Protestwelle nützt das nichts mehr: Der Aufruf dazu ist schon gestern gelaufen. Auf Listen wurden die Sammelpunkte für die Demonstrationen genau aufgezählt - Moscheen nach dem Freitagsgebet, aber auch Kirchen. "Jeder weiß heute, wann er wo hingeht."

Vorbild Tunesien

Dass die Telekom-Firmen die Anordnung, das Internet zu kappen, so strikt befolgen, ist kein Wunder: In Ägypten kann keine Privatfirma etwas gegen den Entschluss des Geheimdienstes machen. Dass diese Strategie zum Erfolg führt, ist keineswegs sicher: In Tunesien ist der Staatchef gestürzt worden, obwohl die Kommunikationswege gekappt waren. Und der größte Blogger der Protestbewegung ist heute Jugendminister in Tunesien.

Polizei zermürbt

Die große Frage ist, ob die Demonstrationen heute Freitag die "kritische Masse" erreichen. Der Sicherheitsapparat ist allmählich müde und zermürbt. Die Bereitschaftspolizisten sind seit drei Tagen auf der Straße. Doch auch die Polizei, die die Macht der Regierenden erhalten sollte, macht ihre eigene Rechnung. So berichten Demonstranten, dass sie von Polizisten aufgegriffen, aber an der nächsten Straßenecke wieder freigelassen worden seien. Das wirft die Frage auf, wie loyal die Polizei tatsächlich zur Regierung ist.

Verliert Militär die Geduld?

Worauf es aber auch noch ankommt, ist die Geduld der Generäle: Das Militär ist eigenständig, und wenn das Militär heute entscheidet, dass Mubarak für das Land problematisch ist, dann ist das der letzte Tag von Mubarak. In dem Moment, wenn der erste Panzer in Kairo auf der Straße rollt, wird das auch der letzte Tag von Mubarak sein. Und das ist auch der Grund, warum in der Bevölkerung keiner erwartet, dass die Polizei ein Blutbad anrichten wird. Denn wenn sie das tut, wird sofort das Militär einschreiten, so zumindest der gute Ruf des Militärs unter den Leuten.

Übersicht

  • Naher Osten