Politikwissenschaftler in Kairo

Ägypten: "Islamismus ohne Chance"

Mitten unter den Demonstranten in Kairo ist Hamed Abdel-Samad, ein Politikwissenschaftler, der in Ägypten aufgewachsen ist und in Deutschland lebt. Er teilt die Anliegen und Forderungen der Demonstranten. Obwohl er ein Muslim ist, lehnt er den islamischen Fundamentalismus vehement ab.

"Hier demonstriert die Facebook-Generation"

Der Politikwissenschaftler und Buchautor Hamed Abdel-Samad im Ö1 Morgenjournal-Interview am 0102.2011 mit Elisbeth Manas

"Hier demonstriert nicht nur eine Sekte"

Der Islamismus hat nach Ansicht von Hamed Abdel-Samad keine Chance in Ägypten. Als Mitglieder der Muslimbruderschaft islamistische Parolen rufen wollten, seien sie von den anderen Demonstrationsteilnehmern daran gehindert worden mit der Begründung: "Hier demonstriert ganz Ägypten und nicht nur eine Sekte." Die Zurückhaltung der Islamisten sei keine Taktik, sondern sie seien nicht in der Lage , die Straße zu mobilisieren. "Das tut jetzt die Facebook-Generation. Die ist westlich orientiert und hat mit den alten Machtstrukturen nichts zu tun und auch nicht mit den Islamisten." Hamed Abdel-Samad verlässt sich dabei ganz auf die Protestbewegung: "Man darf die Gefahr der Islamisten nicht übersehen, aber die Bevölkerung ist nicht dumm. So wie sie bemerkt, dass Mubarak gehen muss, so merkt sie auch, dass die Islamisten nicht ihre Zukunft sind."

Mehrere Hoffnungsträger

Eher enttäuscht äußert sich der Politologe über den vielfach als Hoffnungsträger angesehenen Ex-IAEA-Chef Mohammed ElBaradei. Der habe seine letzte Karte verspielt: "Als die Proteste am 25. Jänner losgingen, war er nicht in Ägypten, sondern ging irgendwohin ins Ausland, um einen Ehrendoktortitel zu holen. Das hat die Ägypter sicherlich enttäuscht." Er sei dennoch nach wie vor ein Hoffnungsträger, aber nicht der einzige. Darüber hinaus gebe es die verschiedenen Aktivisten der Parteien, Intellektuelle, unabhängige Richter.

Warum zögern die USA?

Das Militär sieht der Politologe in einer gespaltenen Position: Dem Militär gelte die Sympathie der Bevölkerung, andererseits sei aber Mubarak der Oberbefehlshaber. "Mubarak kann nur stürzen, wenn ihn entweder die Armee oder die Amerikaner fallen lassen. Und ich frage mich, warum die Amerikaner zögern, ihn fallen zu lassen." Die Amerikaner sollten sich von Mubarak distanzieren und ihn auffordern zu gehen, so Hamed Abdel-Samad.

Service

Hamed Abdel-Samad , "Untergang der islamischen Welt", textDroemer-Verlag, ISBN-10: 3426275449, ISBN-13: 978-3426275443

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