Lisa

8. April 2017, 21:58

Lisa hat eine junge Frau entführt, gequält und mit ihren eigenen Haaren erwürgt. Das war in Ungarn. In der Nähe von Warschau hat sie drei junge englische Adelige aufgehängt, in Genua einem Obdachlosen die Nieren herausgeschnitten und in Dänemark zwei Lesben mit einer Kettensäge die Brüste amputiert. Das ist noch nicht alles.

20 Morde gehen auf das Konto von Lisa. Weiters: Ein Hirsediebstahl auf einem steirischen Bauernhof, primitive Sachbeschädigung und etliche Einbruchsdiebstähle. Wie die Phantommörderin, die anno 2009 durch die Medien gegeistert ist, ist auch Lisa ein Phantom. Alles was man von ihr kennt, ist ihre DNA-Spur.

Die Welt via Web-Radio

"Lisa" ist ein 200 Seiten langer Monolog eines Opfers von Lisa. Bei Tom - so nennt er sich selbst - wurde eingebrochen und es gibt Anzeichen dafür, dass er Lisas nächstes Mordopfer ist. Mit seinem Sohn und mit reichlich Whiskey und Kokain hat er sich in einer abgelegenen Hütte verschanzt. Abend für Abend spricht er per Internet-Radio zu einem virtuellen Publikum, ein paranoider drogensüchtiger Alkoholiker erklärt, wie er die Welt sieht.

Tom denkt nach - über die Politik und die Kirche, über Kindererziehung und die Frauen, über Online-Foren und Facebook. Garniert sind die Betrachtungen zur Gegenwart mit schrägen Assoziationen und bizarren Gewaltschilderungen, bis zu guter Letzt - mit der Entschlüsselung von Lisas DNA - die Geschichte ins Metaphysische abhebt.

"Lisa" - der Roman von Thomas Glavinic ist im Hanser-Verlag erschienen. Am 14. Februar präsentiert er das Buch im Wiener Rabenhof.

Textfassung: Red.