Erster Integrationstag gefeiert
"Das Gefühl haben, akzeptiert zu sein"
Integration ist keine Einbahnstraße und darf auch kein Demütigungsritual sein. Das waren zentrale Botschaften des ersten österreichischen Integrationstages im Wiener Rathaus. Rund 400 Migrantinnen und Migranten, Vertreter von Wirtschaft und Industrie und Expertinnen haben teilgenommen und Vorschläge für eine verbesserte Integrationspolitik ausgearbeitet.
27. April 2017, 15:40
Morgenjournal, 12.03.2011
Einbinden und anerkennen
Türkischstämmige Österreicherinnen mit Kopftuch empfangen die Gäste an der Garderobe des Rathauses. Sie arbeiten sonst hier meist als Reinigungskräfte. Österreich braucht solche, aber auch mittel- und hochqualifizierte Zuwanderer, sagt der Integrationsexperte Kenan Güngör. Doch die Botschaft an Migranten sei oft: Integriere Dich, aber Du gehörst dann trotzdem nicht dazu! Er erklärt: "Jetzt sind wir mittlerweile in Österreich soweit, dass wir rational sagen: Ja, wir brauchen Zuwanderung. Emotional sagt Österreich aber: Wir wollen sie nicht. Deswegen müssen wir Integration eher als eine Einbindungs- und Anerkennungsbedeutung verstehen und nicht als Ausgrenzungs- und Demütigungsritual."
Keine Arbeit trotz Qualifikation
Die junge Türkin Neslahan Soyar aus Istanbul meint über ihre Wunschvorstellung von Integration: "Man soll das Gefühl haben, dass man sich anpassen kann und, dass man vom Staat und von den Landsleuten akzeptiert wird. Nachher, wenn man sich wohl fühlt, kommt in zweiter Linie für mich die Sprache." In Österreich sei es nicht so, dass man sich von Anfang an wohl fühle, das komme erst. Sie habe die erste Diskriminierung vor 14 Jahren erfahren, "wegen meiner Haarfarbe und wie ich mich bewege", sagt Neslahan Soyar. Die Frau, die schon im Management gearbeitet hat, besucht einen Lehrgang des Integrationshauses. Bisher hat sie in Wien keinen Arbeitsplatz gefunden, der ihrer Qualifikation entsprechen würde.
Wie auch die Nigerianerin Peschenso Morodion, eine ausgebildete Sekretärin mit zusätzlichen EDV-Kenntnissen: "Du weißt schon, wie das geht. Niemand will eine schwarze Sekretärin."
Wiens spezielle Rolle
Andererseits würden Pflege, Nahversorgung und auch die Wiener Märkte ohne Migrantinnen und Migranten gar nicht funktionieren, meint Renate Brauner die Wirtschaftsstadträtin und sagt auch: "Die Wirtschaft in Wien macht ihre Internationalität aus. Die Wiener Wirtschaft hat vor allem von der EU-Erweiterung profitiert. Weil wir eine vielsprachige Stadt sind, weil wir darauf setzen können, dass Wien eine spezielle Rolle hat, traditionellerweise im Herzen Europas zwischen Ost und West."
Durchmischung notwendig
Das wichtigste wäre, dass der zweiten und dritten Generation der Migranten der soziale Aufstieg gelingt, sagt Kenan Güngör. Dazu wäre mehr Durchmischung in den Schulen nötig, meint Erika Tiefenbacher, die Direktorin einer Währinger Mittelschule. Dort beträgt der Anteil der Kinder mit Migrationshintergrund 90 Prozent, in anderen Wiener Schulen unter 30 Prozent.
Trotz alledem: Von einer desintegrierten Gesellschaft kann nicht die Rede sein, sagt Kenan Güngör und spricht von Jammern auf hohem Niveau. Und die türkischstämmige Garderobiere jammert nicht einmal, sie fühlt sich gut integriert: "Ich arbeite hier und meine Kinder auch, wir haben keine Probleme. Ich bin immer freundlich, die andern auch. Warum nicht?"