Kaum sachliche Auseinandersetzung
Was Politiker über Treichls Rüge denken
Erste-Group-Chef Andreas Treichl wollte mit seiner heftigen Politikerrüge die Diskussion - wie er nun sagt - auf eine sachliche Ebene bringen. Seiner Ansicht nach setzen die Risikovorschriften für Banken den falschen Schwerpunkt. Bei den Politikern ist Treichl mit seiner Aussage nur zum Teil durchgedrungen - zumindest bei Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) ist ihm das gelungen.
8. April 2017, 21:58
"Suppe selber auslöffeln"
Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) nach dem Ministerrat
Risiken selbst bedecken
Faymann ging nach dem Ministerrat insbesondere auf den Vorwurf des Bankers ein, durch überzogene Eigenkapitalbestimmungen für Banken die Kreditvergabe an Wirtschaftsbetriebe zu hemmen. Es könne nicht die Idee einer Bank sein, die langfristige Risiken eingeht und sagt: Geht's gut, verdienen die Aktionäre, geht's schief, bezahlt der Staat. "Banken müssen die Risiken, die sie eingehen, auch selbst bedecken können. Oder einfacher: Wer die Suppe einbrockt muss sie auch selber auslöffeln können - das halte ich für eine richtige Diskussion."
Abgeordnete fühlen sich nicht gemeint
Gerade diese Fähigkeit, wirtschaftliche Probleme mit Sachverstand beurteilen zu können, hat Treichl den Politikern abgesprochen. Kein Wunder, dass sich keiner von ihnen gemeint fühlt - zum Teil auch festzustellen bei einer kleine Umfrage unter Abgeordneten am Rande der heutigen Parlamentssitzung.
Mittagsjournal, 17.05.2011
"Das geht zu weit"
Vor allem einen Mann regen die Aussagen des Erste-Bank-Chefs so richtig auf - der sitzt allerdings nicht im Nationalrat, sondern im Bundesrat. Des Präsident Gottfried Kneifel von der Volkspartei geht davon aus, "dass Herr Treichl bei seiner Kritik nicht beeinträchtigt warm, etwa durch Alkohol, daher muss man das ernstnehmen. Und er hat pauschal alle Politiker Österreichs als dumm und feig bezeichnet. Das geht deutlich zu weit, das muss auf das Schärfste zurückgewiesen werden."
"Generalaussagen immer falsch"
Wesentlich weniger Aufregung hat Treichl bei den Nationalratsabgeordneten verursacht. Wilhelm Molterer (ÖVP) war einst selbst Finanzminister, er sieht seine Partei durch Treichls Kritik aber nicht angesprochen. In der Sache gebe es einiges zu verbessern, so Molterer, er hätte aber andere Worte gewählt. "Generalaussagen sind grundsätzlich immer falsch."
FPÖ: Regierung gemeint
Die Freiheitlichen wiederum sehen sehr wohl die Regierungsparteien angesprochen. Martin Graf, dritter Nationalratspräsident sagt, der Opposition Blödheit oder Feigheit vorzuwerfen, sei nicht angebracht. Er habe sich auch nicht betroffen gefühlt. Die Kritik sei offenbar an die Regierungskräfte gegangen.
"Ablenkungsmanöver"
Kai Jan Krainer, Finanzsprecher der Sozialdemokraten, verweist auf das Bankenhilfspaket. "Ich habe nicht gehört, dass die Politiker zu feig zu blöd und zu inkompetent waren, als wir die Erste Bank gerettet haben und das gesamte Bankensystem." Krainer vermutet auch ein Manöver um von einer Diskussion um Banker-Einkommen abzulenken "und die negative Energie der Öffentlichkeit auf Politiker zu lenken."
Van der Bellen "amüsiert"
Dem grünen Abgeordneten Alexander van der Bellen wird von allen Seiten hohe Wirtschaftskompetenz zugeschrieben. Er sagt zu Treichls Politiker-Schelte: "Ich habe mich amüsiert. Da muss dem Herrn Treichl der Kragen geplatzt sein wegen seiner Beschwerden über die Basel-3-Vereinbarung. Und wenn er recht hat, ist da tatsächlich Feuer am Dach." Dass ein Bankdirektor seinem Zorn so offen Ausdruck gibt, "darf schon mal vorkommen."
"Geschmackssache"
Und Ursula Haubner Sozialsprecherin des BZÖ, meint, im Thema Kreditvergaben habe Treichl absolut recht. Ob man das so ausdrückt, das sei Geschmackssache.
"Wachrütteln"
Und wie sehen das die Besucher des Parlaments? Wie bei jeder Plenarsitzung kann man sich hier als ganz normaler Bürger ein Bild von den Politikern machen. Und viele Besucher heute kennen Treichls Aussagen, betrachten sie als "Wachrütteln" und geben ihm zum Teil recht.