Deutsches Beispiel als Vorbild

Kinderschutz: Gewalt früher erkennen

Etwa 11.000 Kinder leben in Österreich nicht bei ihren Eltern sondern in Wohngemeinschaften oder anderen Einrichtungen, weil sie zuhause misshandelt, vernachlässigt oder missbraucht werden. Würde man mehr in Prävention investieren, könnte man diese Zahl drastisch senken, fordern Experten seit langem. Dass das funktionieren kann, zeigt das Beispiel Deutschland.

In Deutschland hat der Staat Geld in die Hand genommen und ein "Aktionsprogramm zu Frühen Hilfen" gestartet. Das würde auch in Österreich viel bringen, sagt die deutsche Expertin Alexandra Sann, die anlässlich des 20 Jahr-Jubiläums des Wiener Kinderschutzzentrums in Österreich ist.

Mittagsjournal, 20.05.2011

Betreuung schon in der Schwangerschaft

Um Kinder vor Gewalt und Missbrauch schützen zu können, muss man während der Schwangerschaft beginnen, sagt Alexandra Sann vom Deutschen Jugendinstitut in München. Dazu brauche es eine gute Zusammenarbeit zwischen den medizinischen Angeboten rund um die Geburt, wie Gynäkologen, Hebammen, Geburtskliniken, Kinderärzte mit den Angeboten der Jugendwohlfahrt.

Koordinierung durch "Frühe Hilfen"

Und um die zu gewährleisten, muss es eine Koordinierungsstelle geben, sagt Sann, in Deutschland wurde dazu die Servicestelle "Nationales Zentrum Frühe Hilfen" geschaffen, dort laufen alle Informationen zusammen. Das Zentrum unterstützt alle betroffenen Einrichtungen und beantwortet wichtige Fragen wie was tun, wenn ein Kind in Not ist, wie kann mich mit den Eltern sprechen, was ist mit dem Datenschutz, wann kann ich welche Informationen weitergeben.

Prävention zahlt sich aus

Mehr in Prävention zu investieren, mache sich bezahlt, sagt Alexandra Sann, denn die Kosten, die bei der Therapie vernachlässigter und misshandelter Kinder entstehen, seien enorm. Darüber hinaus gehe es auch um schlechte Bildungschancen, die in Arbeitslosigkeit münden.

Begleitung durch Familienhebammen

In Deutschland gebe es seit kurzem etwa Familienhebammen, die Familien mit Problemen bis zu einem Jahr nach der Geburt eines Kindes betreuen, berichtet die Expertin. Das Projekt ist nicht unumstritten. Denn es gibt Zweifel, dass Hebammen dafür gut genug ausgebildet sind. Die Befürworter argumentieren: so könne man früh unbürokratisch Kontakt zu werdenden Müttern herstellen.

Negativ: Kein Staatssekretariat mehr

In Deutschland ging die Initiative dazu vom Familienministerium aus. Dass es in Österreich lediglich ein Staatssekretariat gab und das jetzt sogar noch abgeschafft wurde, stößt bei Fachleuten auf Unverständnis. Es müsse ein politisches Gesicht dazu geben, sagt Sann.

In Österreich wird seit fast fünf Jahren, und bisher erfolglos, an einem neuen Jugendwohlfahrtsgesetz gearbeitet. Derzeit ressortiert das Thema im Wirtschaftsministerium.