Medienforscher: Keine Bühne für den Täter
Die mediale Wirkung des Attentats
Eines hat der Attentäter von Norwegen erreicht: Seine politischen Ideen, so wirr sie auch sein mögen, werden diskutiert. Die Behörden in Norwegen versuchen, ihm keine Bühne zu bereiten. Medienforscher finden es gut, dem Täter möglichst kein Forum zu geben. Sie fürchten aber, dass das nicht gelingen wird.
8. April 2017, 21:58
Morgenjournal, 26.7.2011
Bernt Koschuh
Isolierte U-Haft
Ein Ziel von Anders Breivik war es offensichtlich, mit seinen Verbrechen möglichst viel Aufmerksamkeit in den Medien zu bekommen. Die norwegischen Behörden versuchen, ihm möglichst keine Gelegenheit zu geben, sich und sein ideologisches Weltbild darzustellen. Sie haben seinen Wunsch, öffentlich einvernommen zu werden, abgelehnt. Außerdem muss Anders Breivik die nächsten vier Wochen der Untersuchungshaft isoliert verbringen.
Vitouch: Medien in der Zwickmühle
Der Attentäter von Norwegen hat die Medien gleichsam in Geiselhaft, sagt der österreichische Medienforscher und Psychologe Peter Vitouch. Auch wenn der Mann gestern unter Ausschluss der Öffentlichkeit einvernommen wurde.
"Die Medien befinden sich da in einer Zwickmühle. Einerseits müssen sie natürlich über einen derartigen Fall berichten. Andererseits erreicht der Täter aber genau das damit, was er möchte: Seine Botschaften werden transportiert und er hat ein riesiges Podium", sagt Vitouch.
Hausjell: Radikalisierung droht
Medienforscher Fritz Hausjell befürchtet nun Nachahmungstaten, und dass das Massaker von Norwegen auf manche Rechtsextremisten in Europa nicht abschreckend wirkt: "Es ist zu fürchten, dass es zu einer Radikalsierung führt, weil diejenigen, die gewaltbereit sind, je nachdem wie der öffentlich Diskurs darüber jetzt gestaltet wird, durchaus ermutigt werden können, weitere Anschläge zu führen."
Auch Vitouch fürchtet, "dass Nachfolgetäter sagen: 'Großartig, so kommt man in die Weltpresse'".
Konzentration auf Täter
Medienforscher und Rechtsextremismusexperte Hausjell erinnert an mehrere Anschläge auf Asylwerberheime in den 90er Jahren speziell in Ostdeutschland. Damals habe es Nachahmungstäter gegeben.
"Wir haben Studien, dass einige Zeit lang die Medienberichterstattung diese Eskalation weiter gefördert hat, weil sich die Medien sehr stark auf die Täter konzentriert haben", sagt Hausjell.
Für offene Diskussion
Medienforscher Vitouch will nun aber keineswegs ein Ende der Berichterstattung, sondern etwa über Islam und Islamfeindlichkeit eine offene Diskussion, wie sie Ministerpräsident Jens Stoltenberg in Norwegen ankündigte.
"Man gibt dann solchen Thesen ein Forum, aber diskutiert sie in offener, demokratischer und humanistischer Weise, so dass Themen nicht unter den Teppich gekehrt werden. Sobald das passiert, beginnen die unter dem Teppich zu wuchern, und dann kommt es zu solchen Explosionen", führt der Medienforscher aus.