Interview mit Joachim Gauck

Pastor und Bürgerrechtler

Joachim Gauck hat in diesem Jahr die Festrede bei der Eröffnung der Salzburger Festspiele gehalten. Gauck war in DDR-Zeiten als evangelischer Pastor am Widerstand gegen die kommunistische Diktatur beteiligt. Nach der Wende hat er zehn Jahre lang die Behörde geleitet, die den Bürgern Einsicht ihre Stasi-Akten zugänglich gemacht hat.

Mittagsjournal, 27.07.2011

Bundespräsidentschaftskandidat

Seit 2003 ist Joachim Gauck Bundesvorsitzender der Vereinigung "Gegen Vergessen - Für Demokratie". Vor gut einem Jahr hat er für das Amt des deutschen Bundespräsidenten kandidiert, hat die Wahl gegen Christian Wulff verloren.

Zweite Wahl ist Gauck eigentlich auch, was die Eröffnungsrede in Salzburg betrifft. Ursprünglich war der Schweizer Jean Ziegler vorgesehen; den hat Landeshauptfrau Gabi Burgstaller aber wieder ausgeladen. Das Ö1 Mittagsjournal hat Joachim Gauck vor seiner Rede in Salzburg zum Gespräch getroffen.

Gegen "linken Diskurs"

Im Interview betont Gauck, dass er keine Probleme damit habe, in Salzburg statt Jean Ziegler zu sprechen. Er kenne seine Standpunkte, grenzt sich aber klar vom "linken Diskurs" ab, wonach die Gesellschaft von ihren Mängeln und Defiziten her definiert werde.

Freiheit von der Möglichkeit her definiert

Hat Gauck die Befürchtung, nun in Opposition zu Ziegler gesetzt zu werden? "Mir ist es von der Landeshauptfrau und von der Intendanz so geschildert worden, dass diese Einladung durchaus noch nicht in Papier und Tüten war, sondern dass es ein Plan war. Davon gehe ich mal aus, dass dies die richtige Information ist", so Gauck.

"Es kann sein, dass, wenn Jean Ziegler und ich auf einem Podium säßen, wir nicht immer einer Meinung wären", gibt er zu. "Ich gehe sogar davon aus. Ich habe in einem seiner Bücher studiert und ich habe verschiedene Artikel gelesen und ich kenne seine kritische Haltung gegenüber dem Westen und gegenüber der Aktivität eines nicht kontrollierten Kapitals. An manchen Punkten würde ich schon als Mensch zustimmen können, bei einer tiefen Skepsis gegenüber der freien Welt, wär ich auf der andere Seite. Das ist ganz klar. Für mich leuchtet die Freiheit und ich definiere sie von ihren Möglichkeiten her - übrigens nicht nur von Träumen, sondern von dem, was wir in Europa sehen, was wir sehen und anfassen können, was wir gestaltet haben nach dem Krieg. Das hat so große Vorteile, dass man weit gehen muss auf dem Erdball, um so etwas zu finden, was wir hier in Europa in der Freiheit gestaltet haben. Nun kann man natürlich die freiheitlichen Gesellschaften, wie der linke Diskurs es gerne tut, von ihren Mängeln her und von ihren Defiziten her definieren. Also ich möchte schon eine Gesellschaft, wo man über Mängel und Defizite spricht - aber sie nicht zum Fokus zu machen. Von daher habe ich keine Probleme damit, dass ich hier sprechen darf."